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Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)

Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)

Titel: Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)
Autoren: Annette Leo
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gerechten Gesellschaft passt nicht so recht in die Zeit der Handlung von 1933, in der die große Katastrophe ja gerade erst ihren Anfang nimmt, wohl aber passt sie zum Geist der Nachkriegszeit. Es ist die Überzeugungdes frisch bekehrten Romanautors Erwin Strittmatter, der 1947 in die SED eingetreten war und nach der erschütternden Erfahrung von Krieg und Niederlage vom Wunsch getrieben war, am Aufbau einer neuen, besseren Welt mitzuwirken.
    Auch Stanislaus Büdner, der Held des Romans »Der Wundertäter«, wächst nach dem Ersten Weltkrieg in einem Dorf in der Niederlausitz auf. Sein Vater, ein armer Glasmacher, will etwas Besonderes aus ihm machen, er glaubt, dass der Junge die Fähigkeit zum Wahrsagen und zum Wunderheilen besitzt. Wie Lope ist Stanislaus ein verträumtes, phantasiebegabtes Kind. Als junger Mann ist er ein naiv-poetischer Schelm, der meist ohne eigenes Zutun in die verschiedenen Lebenssituationen hinein- und wieder hinausgerät. Erwin Strittmatter erzählt die Irrfahrten seines Helden in drei Bänden von dessen Kindheit und Jugend in der Weimarer Republik über die NS-Zeit und den Krieg bis in die fünfziger Jahre in der DDR.
    Die drei Teile des »Wundertäters« sind nicht aus einem Guss. Sie erschienen in langen Intervallen 1957, 1973 und 1980. Jeder Teil repräsentiert für sich schon einen etwas veränderten Blick Strittmatters auf das Leben von Büdner, auf die eigene Biographie und auf die Gesellschaft, in der er lebt. Im ersten Band gerät der unpolitische Bäckergeselle Stanislaus in das Rührwerk des NS-Regimes und des Krieges. Aus Eifersucht auf einen Feldwebel, mit dem ihn seine Verlobte betrügt, meldet er sich freiwillig an die Front. Nach vielen grausamen Erlebnissen beschließt er, zusammen mit einem Kameraden zu desertieren. Der Band endet damit, dass die beiden auf einer griechischen Insel mit Hilfe der Partisanen Zuflucht in einem orthodoxen Kloster finden. Die Erlebnisse von Büdner während des Krieges lesen sich fast wie die Fortsetzung des Lope-Kleinermann-Romans. So und ähnlich begannen und endeten viele Erzählungen, mit denen sich die Angehörigen der Kriegsgeneration in der frühen DDR ihre traumatischen Erinnerungen von derSeele schrieben und damit zugleich ihre »Läuterung«, ihr Engagement für das Neue, den Sozialismus, begründeten. Die Figur des guten Kommunisten taucht wie im »Ochsenkutscher« auch im »Wundertäter« schon sehr früh auf: Er wird vor allem verkörpert von Reinhold, dem Schwager von Stanislaus, der verhaftet und im KZ gefangen gehalten wird.
    Die entscheidende politische Wandlung von Stanislaus Büdner findet im zweiten Band statt, der allerdings am Niederrhein beginnt, wo sich der Held erst durch die Wirren und Widersprüche des schlechteren anderen Deutschland mühen muss. Er verliebt sich in Rosa, eine Kommunistin, die aber auf geheimnisvolle Weise plötzlich verschwindet. Auf der Suche nach ihr erlebt er zahlreiche Abenteuer und landet schließlich wieder in seinem Lausitzer Heimatort, wird dort Gemeindesekretär und tritt seinem Schwager zuliebe in die SED ein. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre, als Strittmatter diesen Band schrieb, hatte seine Identifikation mit der Partei schon einige Risse bekommen. Vor allem bei der Beschreibung von Stanislaus’ Parteiaufnahme und seinem anschließenden Besuch einer Parteischule spart der Autor seine Beobachtungen über die Enge und den Dogmatismus der SED der Stalinzeit nicht aus und macht sich über die Gläubigkeit seines neu bekehrten Helden ein wenig lustig.
    Der dritte Band spielt vollständig in der DDR und endet 1956 kurz nach der Enthüllung der Verbrechen Stalins auf dem XX. Parteitag der KPdSU. Stanislaus Büdner arbeitet als Journalist der Kreisparteizeitung in Kohlhalden, sein erstes Buch wird veröffentlicht und bringt ihm sowohl Ruhm als auch einigen Ärger ein und erregt die Aufmerksamkeit des berühmten Lukian List, der zweifellos Züge von Bertolt Brecht trägt. Büdner zieht nach Berlin, arbeitet eine Zeitlang mit List zusammen. Er beginnt eine Geschichte über ein junges Mädchen zu schreiben, das am Ende des Krieges vonsowjetischen Soldaten vergewaltigt und dabei umgebracht wird. Über diesen Tabubruch gerät er in Konflikt mit seiner Partei, wird unter einem Vorwand ausgeschlossen und lehnt es ab, wiedereinzutreten, als er später rehabilitiert werden soll. Nachdem er fast am Ende des Bandes, wie schon erwähnt, in Notwehr eine Westagentin erschossen hat, die ihm sein
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