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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht
Autoren: Jessica Shirvington
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verschmolz. In diesem Moment mochte ich sie fast.
    Mit Joels Abgang lüftete sich der Zauber. Die Menge der trinkenden, tanzenden Menschen nahm plötzlich das Schlachtfeld wahr, das mit verwundeten Grigori übersät war. Zum Glück war ich in der hinteren Ecke und Griffin ließ sich rasch neben mir fallen, um mich zu verdecken. Aber zuvor hörte ich noch einen schrillen Schrei, den ich auf der Stelle erkannte.
    Steph kam herübergerannt und fiel neben mir auf die Knie. »Oh nein, oh nein, oh nein, Violet. Oh mein Gott. Sag mir, was ich tun soll!«
    Griffin versuchte, Druck auf die Wunde auszuüben, bis er sah, dass ich auch am Rücken blutete. »Alles wird gut. Hast du noch Kraft, dich selbst zu heilen?«
    Ich schenkte ihm ein schwaches Lächeln. Selbst wenn ich die leiseste Ahnung gehabt hätte, wie ich mich selbst heilen könnte, hatte ich doch all meine Kraft aufgebraucht, um mit Onyx fertigzuwerden und die anderen aufzuhalten.
    »Gleich wird Lincoln da sein, er kann dich heilen. Alles wird gut.« Griffin wischte mir Blut aus dem Gesicht und lächelte mich mit einer Art väterlichem Stolz an. Das war seltsam, wenn man bedachte, dass er aussah, als wäre er erst etwa fünfundzwanzig.
    »Du warst unglaublich. So etwas habe ich noch nie gesehen. Du hast uns alle gerettet.«
    Ich tat mein Bestes, um zurückzulächeln. Ich wusste, dass ich durch die Opfer, die ich gebracht hatte, dadurch, dass ich eine Grigori geworden war, und dadurch, dass ich meine Pflicht tat, nun Griffins Respekt … und seine Freundschaft gewonnen hatte.
    Ich drehte meinen Kopf in Lincolns Richtung. Ich konnte sehen, dass er am Boden lag und sich nicht rührte. Magda schüttelte ihn. Aber ich wusste, dass er in Ordnung war, ich konnte spüren, dass sein Herz stark klopfte. Ich blickte zu Griffin hinauf. »Wie alt bist du?«, fragte ich.
    Er lachte auf. »Nächsten August werde ich zweiundachtzig«, sagte er in seinem ländlichen Dialekt. Ich hätte wetten können, dass er auf einer Farm aufgewachsen war. Das passte auch zu ihm.
    »Ich nehme an, das k-kann auch ein Vorteil sein.« Mein Inneres zog sich zusammen und mein Blick vernebelte sich. Griffin rüttelte mich an der Schulter, als meine Augenlider schwer und müde wurden.
    »Violet, du musst wach bleiben. Lincoln hat sich gerade ein bisschen bewegt, in einer Minute haben sie ihn auf den Beinen. Komm schon. Du weißt, dass ich dich ohrfeigen werde, wenn es sein muss.«
    Aber wir wussten es beide. Er würde mich nicht ohrfeigen und ich hatte keine Minute mehr.
    Steph war an meiner Seite, sie strich mir das Haar aus dem Gesicht und murmelte vor sich hin. Sie betete.
    »Ich dachte, w-wir wären uns einig gewesen … keine Sonntagsschule«, sagte ich; meine Stimme war kaum hörbar.
    »Na ja, jeden anderen verdammten Mist scheint es zu geben, warum nicht auch Gott?«, schluchzte sie. Die Theorie überzeugte. Die Frage war, was für eine Art Gott war er?
    Ich fühlte einen Druck auf meinem Magen und stöhnte vor Schmerz, unfähig, die Energie aufzubringen, zu schreien. Ich schaute zur Seite und sah Phoenix, der neben mir kniete. Schatten bewegten sich um ihn herum und winzige Linien aus Gold umkreisten ihn. Ich sah, wie ein Nebel der Macht aus ihm in mich hineinströmte. Ich konnte fühlen, wie die Knochen meiner Wirbelsäule sich zusammenfügten, sich die Muskeln in meinem Bauch wieder verbanden. Er heilte mich … schmerzhaft. Als ich stärker wurde, schmerzte es noch mehr und ich begann zu schreien. Dann hörten die Schmerzen einfach auf.
    Ich brauchte die Wunde nicht zu untersuchen, als Phoenix seine Hände herabgleiten ließ. Ich wusste, er hatte mich vollkommen geheilt. Obwohl mich der Blutverlust schwächte, ging es mir gut. Steph begann ein Ave Maria zu beten.
    Ich lag am Boden und Tränen flossen aus meinen Augen. Phoenix setzte sich auf seine Fersen zurück.
    »Du hast mich geheilt«, sagte ich.
    »Ja.« Seine Hände, die er halb hochgehalten hatte, fielen schlaff zur Seite herunter. Besiegt.
    »Du sagtest, du hättest diese Kraft nicht.«
    »Ich sagte, nicht alle Verbannten hätten die Kraft, zu heilen.« Er schaute mehr den Boden an als mich.
    Der Schleier war gelüftet, ich war von Wahrheit umgeben. Hässlicher, schmerzlicher Wahrheit. Und was noch schlimmer war: den schrecklichen, unveränderbaren Folgen.
    »Du … du hättest Lincoln heilen können. Du hast ihn da liegen lassen, als er im Sterben lag. Du hast mich ein Grigori werden lassen, obwohl ich es damals nicht wollte.«
    »Ich
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