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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde
Autoren: Thomas Adcock
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gelähmt durch den Schock, meinen Onkel Liam auf den Beinen zu sehen.
    Es hätte schlimmer sein können. Unten am Fußende der Treppe krümmte sich Ned Roarty auf dem Boden, brüllte vor Schmerz und hielt eine Hand auf ein Einschußloch in der Schulter gepreßt. Blut strömte zwischen seinen Fingern heraus. Jetzt hörte ich auch Annie Roarty schreien. »Da, ich komme... Was ist passiert, Da -?«
    McGing griff nach Liams schwarzer Jacke, als er sich auch an ihm vorbeischob. Doch der alte Priester konnte einen zu allem entschlossenen Mann nicht aufhalten. McGing taumelte auf seinen schwachen Beinen, brach dann zusammen und schlug hart mit dem Kopf auf den Boden. Liam stieß die Tür zu Aidans Zimmer auf, zog den Hahn seiner Waffe zurück und trat hinein.
    »Bastard!« schrie er und machte einen Satz auf das Bett zu. »Hab ich dich endlich gefunden!«
    Ich hörte einen weiteren Schuß, der gleiche Knall einer kleinkalibrigen Waffe wie zuvor. Dann ein zweiter Schuß, dieser erheblich lauter. Auf dem Bauch robbte ich zur Tür des Zimmers meines Vaters.
    Liam lag sehr still und sehr tot auf dem Rücken direkt vor dem Bett meines Vaters. In seiner Brust klaffte ein Loch so groß wie ein Baseball. Der blutbespritzte schwarze Hut, den er trug, rollte fort und blieb an einem Tischbein liegen. Seine schwarze Jacke war nun getränkt in Rot, sein erschrecktes Gesicht und die offenen Augen blutverschmiert. Und immer noch floß das Blut, machte dabei leise, saugende Geräusche, als es aus der klaffenden Wunde spritzte. Er war mitten ins Herz getroffen worden.
    Aus Liams rechter Hand zog ich eine kleine, in Deutschland hergestellte Pistole. Drei Patronen fehlten im Magazin.
    In der Hand meines Vaters lag eine Zwillingsflinte, vorn und hinten abgesägt. Er saß aufrecht im Bett, so häßlich und gerade wie seine Waffe, und seine blinden Augen sahen nichts. Oben auf seiner Brust befand sich ein kleines, blutiges Loch, direkt unter dem Schlüsselbein.
    Aidan ließ die Schrotflinte fallen und bedeckte das Loch in seiner Brust mit der Hand. »Ist es vorbei?« fragte er. Er wirkte so hilflos, und doch hatte er gerade erst ein Gewehr unter seiner Bettdecke hervorgezogen und einen Mann getötet, den er nicht sehen konnte.
    Ich rappelte mich auf und antwortete: »Ja.«
    »Bist du das, Neil?«
    Ich ging zu ihm. »Ja.«
    »Komm, es bleibt nicht mehr viel Zeit...«
    Jetzt saß ich neben ihm. Das Atmen bereitete ihm Schwierigkeiten.
    »Ich habe es schon mal vor einem Jahr versucht«, sagte Aidan, trieb sich zur Eile, wollte, daß ich verstand. Ich roch die Süße von Blut auf seinem sterbenden Atem. »Er ist auf meine Einladung zu einem Jagdausflug in die Wicklows gekommen, und dabei habe ich ihn angeschossen. Er sollte der erste Hund sein, der ertränkt wurde, verstehst du...«
    »Nur daß du ihn verfehlt hast.«
    »Aye, ich hab ihn zu Boden gestreckt, aber das hat ihn nicht erledigt. Er hat sich in den Rollstuhl gesetzt, aber der simulierende alte Fuchs stand nie mehr auf, bis er glaubte, der Augenblick seiner Rache sei gekommen.«
    »Was bedeutet, bis er dich gefunden hat?«
    »Genau.«
    »Ich weiß, daß mehr als Politik dahintersteckt«, sagte ich. »Ich weiß über dich und meine Mutter und Liam Bescheid -über euch drei, damals auf dem Trinity College.«
    »Er hat sie vor mir geliebt. Und behauptet, ich hätte sie ihm gestohlen. Das habe ich auch getan, allerdings nur, um sie und dich im Namen der Sache sofort wieder zu verlassen. Und obwohl ich in das Leben von Aidan McGing geschlüpft war, blieb deine Mutter mir immer treu. Das hat ihn zur Raserei gebracht, mehr als alles andere. Für Liam war die Vorstellung, daß ein Mädchen, so schön und fein wie Mairead, ihre Weiblichkeit einfach vergeuden konnte, wie sie es getan hat... nun, in seinen Augen war das unverzeihlich.«
    Der Gott der Ironie. Liam mit Moira all diese Jahre in seinem Haus, die arme, hoffnungslos träumende Moira, das Mädchen von nebenan, das ihre Weiblichkeit auch vergeudet hatte; Moira, die genau wußte, wie tief dies alles ging, wie geheim es war, die arme Moira, die für das starb, was sie wußte. Hatte sie sich selbst erhängt, oder hatte Liam sie umgebracht? Oder Snoody? Wer würde das jemals wissen ?
    Mein Vater schnappte nach Luft und sackte vornüber. Ich legte einen stützenden Arm um seine schmalen Schultern und meine Hand über seine, die die Wunde bedeckte. Der Tod würde schnell kommen. Ich mußte ihm meine Fragen jetzt stellen, um die letzten, noch
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