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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Maier.
    »Sag mal, spinnt’s ihr, oder was?«
    »Komm, kannst doch dazu stehen«, stimmte auch Hefele in den Chor mit ein.
    »Wahre Liebe gibt’s eh nur unter Männern, das weiß doch jeder«, stichelte Strobl weiter. »Und wie er dir um den Hals gefallen ist, als du mit seinem Bruder zurückgekommen bist, also das war doch nicht nur Dankbarkeit, oder?«
    Kluftinger lief rot an. Ihm war es auch unangenehm gewesen, dass der Staatsanwalt seine Verbundenheit gleich so deutlich hatte zeigen müssen. Aber dass seine Kollegen immer noch auf diesem Thema herumritten …
    »So, Schluss jetzt. Wir gehen jetzt alle heim«, sagte er schließlich und beendete damit ihre traute Runde.
    Als er das Licht ausschaltete, fügte er noch hinzu: »Und mit dem Moster muss ich auch noch ein Wörtchen reden. Ich glaub, der hat mir da vergorenen Saft angedreht, so wie der auf euch wirkt.«

Epilog
    Seit den dramatischen Ereignissen am Dengelstein waren sechs Wochen vergangen. Kluftinger hatte erst Tage später zu spüren bekommen, wie sehr ihn der Fall wirklich mitgenommen hatte. Appetitlosigkeit hatte ihn geschwächt, was von einer Erkältung gnadenlos ausgenutzt worden war. Und obwohl die Ermittlungen längst abgeschlossen waren, hatte er an manchen Tagen immer noch Probleme einzuschlafen.
    Manchmal wachte er dann mitten in der Nacht auf und hing seinen Gedanken nach.
    »Nicht schon wieder«, ächzte er, als er wieder einmal im Bett hochschreckte. Er lag da und starrte an die Decke. In den Schatten glaubte er unheimliche Gegenstände zu erkennen: Sensen, Vogelscheuchen …
    »So wird des nix«, sagte er zu sich selbst und setzte sich auf. Die Leuchtanzeige des Radioweckers zeigte 3.53 Uhr. Sein Blick wanderte im Zimmer umher, glitt über die Schrankwand, den Korbstuhl, das Fenster …
    Er hatte das Gefühl, als ziehe ein eisiger Windhauch durchs Zimmer. Dort, am Fenster, auf Augenhöhe mit ihm, saß ein Vogel. Nicht irgendein Vogel: Es war eine Krähe. Blauschwarz glänzte ihr Gefieder im Mondlicht. Was Kluftinger aber wirklich erschreckte, war nicht der Vogel an sich. Auch wenn er in letzter Zeit auf Krähen einigermaßen allergisch reagierte. Nein, es war etwas anderes: Der Vogel starrte ins Zimmer herein. Kluftingers Herz machte einen Satz und begann zu rasen. So etwas hatte er noch nie gesehen. Ob er Fieber hatte? Er wischte sich mit der Hand übers Gesicht, um seine Temperatur zu fühlen.
    Nein, er durfte sich nicht so gehen lassen. Er legte sich wieder hin. Sicher, es waren schlimme Wochen gewesen, aber sie lagen hinter ihm. Nicht einmal die Kollegen redeten noch davon. Er schloss die Augen. Versuchte an etwas Angenehmes zu denken. An das Weiß, das die Landschaft bald überziehen würde, an die sanften Hügel, die er dann beim Skifahren hinuntergleiten würde, an Abhänge und gefährliche Schluchten, an Schneebretter und Lawinen …
    Er zuckte zusammen. Wieder schaute er auf den Wecker:
4.21 Uhr. Anscheinend war er kurz weggedöst und dann wegen einer dieser Zuckungen, die einen manchmal im Schlaf heimsuchten, wieder aufgewacht. Meistens traten sie auf, wenn man von einem Sturz oder etwas Ähnlichem träumte. Wovon hatte er geträumt? Er versuchte sich zu erinnern. Von Schnee? Er wusste es nicht mehr.
    Wieder setzte er sich auf. Und hatte das Gefühl, einen Schlag in die Magengrube zu bekommen: Die Krähe saß noch immer am Fenster und stierte mit ihren dunklen Augen ins Schlafzimmer. Das war nicht mehr normal. Vögel machen so etwas nicht, sagte er sich. Er wollte aufstehen, doch seine Beine fühlten sich schwer an. Sein Mund war trocken und seine Halsschlagader pochte.
    Dann schloss er die Augen, atmete dreimal tief durch und schlug die Decke zurück. Im selben Moment breitete die Krähe ihre Schwingen aus und erhob sich mit einem kehligen Krächzen in den Nachthimmel.
    Dem Kommissar war speiübel. Noch bevor der Vogel weggeflogen war, hatte er ein leuchtend rotes Funkeln in seinen Augen gesehen.
    ***
    »Mei Erika, ich hab vielleicht einen Schmarrn geträumt heut Nacht.« Kluftinger lag im Bett und blinzelte aus kleinen Augen ins Schlafzimmer. Seine Frau hatte sich über ihn gebeugt und mit einem Kuss auf die Wange geweckt. Sie war schon angezogen und ihr Atem roch nach Zahnpasta.
    »Wie spät ist es denn?«, wollte er wissen.
    »Halb elf, du Schlafmütze«, antwortete sie liebevoll. Sie freute sich darüber, dass er endlich wieder einmal ausgeschlafen hatte.
    »Halb … Zefix, ich wollt doch heut in die Kirche gehen.
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