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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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jetzt wurde ihm klar, dass er noch immer die Sense in der Hand hielt. Angewidert warf er sie ins Gras. Es hatte sich ausgezahlt, dass er seinen Rasen noch auf die traditionelle Art mähte. Mit einem einzigen Hieb hatte er Hartmann von den Beinen geholt, wobei er peinlich darauf geachtet hatte, ihn nur mit dem Holzstiel, nicht mit der scharfen Klinge zu erwischen.
    ***
    Maier war schockiert. Auf einmal hatte ein Schuss die Stille der Nacht zerrissen. Was war geschehen? Hatten sie ihn? Oder er sie? Sollte er die wenigen Meter zum Dengelstein rennen und seinen Kollegen zur Hilfe kommen? Oder hier warten, um dem Täter den Fluchtweg abzuschneiden?
    In diese Gedanken hinein sah er die Blaulichter am Waldrand aufflackern. Mit Erleichterung nahm er das Eintreffen seiner Kollegen wahr, die – ganz und gar nicht leise – mit Festbeleuchtung heranpreschten. Maier wies ihnen den Weg zum Dengelstein, stieg in den letzten Wagen und kam nach weniger als einer Minute ebenfalls an dem Felsen an.
    Sofort kümmerten sich die uniformierten Polizisten um die verletzten Kollegen und den noch immer gefesselten Möbius. Als einer Kluftingers Wunde verbinden wollte, entzog der abwehrend seinen Arm, hatte er im Moment doch Wichtigeres zu tun. Er lief zum Waldrand, drehte ihnen den Rücken zu und blieb stehen. Hefele und Maier sahen sich ungläubig an. Wie konnte er in so einer Situation …
    »Seitdem wir in Kempten weggefahren sind, muss ich schon biseln!«, rief er ihnen zu.
    ***
    »Wie konnten Sie das nur zulassen?«
    Kluftinger war fassungslos. Jetzt erst, mit einer Stunde Abstand zu den dramatischen Ereignissen dieser Nacht, wurde ihm die volle Tragweite, die tragische Dimension des Ganzen bewusst. Der Richter hatte seinen eigenen Sohn zum tödlichen Werkzeug gemacht.
    Er revidierte seine Frage, weil ihm klar wurde, dass Hartmann es nicht zugelassen hatte. Er hatte es angezettelt, geplant. Wie hatte Markus gesagt? »Wir suchen einen intelligenten Menschen.« Das war der Richter, im Gegensatz zu seinem leicht zurückgebliebenen Sohn, ohne Zweifel. Aber es war eine dunkle, diabolische Intelligenz. Eine Intelligenz, die Kluftinger anwiderte, vor der er sich fürchtete.
    Übernächtigt und mit einem pulsierendem Schmerz in seinem rechten, blutenden Arm, gingen ihm diese Gedanken durch den Kopf, als er zusammen mit Strobl im kalten Licht der Neonlampen, die das fensterlose Verhörzimmer II erhellten, den Mann vor sich taxierte. Seine Kollegen bearbeiteten zur gleichen Zeit Hiltrud Urban in einem anderen Zimmer. Hartmann hatte es abgelehnt, einen Anwalt hinzuzuziehen. »Ich habe das Gesetz studiert«, war seine Antwort auf die Frage nach einem Rechtsbeistand gewesen.
    Kluftinger setzte erneut an: »Warum haben Sie Ihren Sohn zum Mörder gemacht?«
    Der Richter schwieg lange. Er schien genau abzuwägen, welche Information er preisgeben wollte und welche rechtlichen Folgen das nach sich ziehen würde. Dann starrte er Kluftinger in die Augen und sagte: »Ich habe keinen Sohn.«
    Der Kommissar hielt dem Blick des Richters stand und versuchte, darin zu lesen: Wollte er jetzt seinem Sprössling alles in die Schuhe schieben? Ihn zu seiner Entlastung vor ihren Augen verstoßen? Aber er hatte doch praktisch schon alles zugegeben. So dumm konnte er nicht sein. Nicht nach allem, was er bis dahin ausgeheckt hatte.
    Die Türe ging auf und Sandy kam herein. Sie war bis jetzt im Büro bei Möbius geblieben. Dann hatte sie Kaffee für alle gekocht. Sie war wirklich die gute Seele dieses Kommissariats.
    Als sie die Türe leise geschlossen hatte, sah Kluftinger, dass sie ein braunes Fläschchen in der Hand hielt. In der anderen trug sie Verbandszeug. Sie nickte ihm zu und er wandte sich wieder um. Er musste kurz überlegen, wo er stehen geblieben war. »Sie wollen jetzt also alles auf Ihren Sohn abwälzen? Das wird Ihnen keiner abnehmen, Hartmann.« Das »Herr« sparte sich Kluftinger mittlerweile. Nicht zu glauben, dass er ihn noch vor ein paar Tagen ehrfurchtsvoll mit »Herr Richter« angesprochen hatte.
    Während er dies sagte, machte sich Sandy an seinem Ärmel zu schaffen, krempelte das Hemd hoch und untersuchte die Wunde. Kluftinger zog seinen Arm weg, doch sie packte ihn und hielt ihn fest. Es passte ihm gar nicht, dass sie ausgerechnet jetzt, während er dieses so wichtige Verhör führte, seinen Arm verarzten wollte.
    »Sie verstehen gar nichts«, fuhr Hartmann fort, während Sandy ein paar Tropfen aus der mitgebrachten Flasche auf ein Tuch
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