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Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut

Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut

Titel: Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut
Autoren: Felix Huby
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hatten sie exakt die gleichen Wünsche: nach Hause kommen, heiß baden, noch ein Glas Wein trinken, danach sofort ins Bett und alle viere von sich strecken. Auf keinen Fall aber noch darauf achten müssen, wie man auf den anderen wirkte.

7
    Zwei Menschen taten in dieser Nacht kein Auge zu: Mascha Niebur und Joe Keller. Joe saß auf der Pritsche seiner Zelle im Untersuchungsgefängnis. Er hatte die Beine eng angezogen und die Arme um sie geschlungen. Unverwandt sah er zu dem vergitterten Fenster hinauf, durch das ein diffuses Licht hereinfiel, das irgendwelche weit entfernten Straßenlampen spendeten. Was, wenn sie ihn hier einsperrten und nie wieder hinausließen? Er war 22 Jahre alt. Gefängnisse kannte er von innen, aber er war nie länger als ein paar Wochen drin gewesen. Doch auch an diese kurzen Zeiten erinnerte er sich mit Grauen. Zwölf Jahre, das war das Geringste, was man für einen Mord absitzen mußte. Zwölf Jahre! Dann war er 34. Die Verzweiflung würgte ihn. Seine Jugend würde zwischen diesen Mauern förmlich verdampfen. Er würde das nicht aushalten, eher wollte er Schluß machen.
     
    Mascha ging auf Strümpfen durch die WG. Alle schliefen noch fest. Auch aus Jürgens Raum hörte man ein gleichmäßiges Schnarchen. Mascha verließ die Wohnung und stieg leise die Treppe hinunter. Ein paar Monate noch, dann würden sie den alten Schuppen wohl abreißen. Er gehörte Lohmann, jetzt wahrscheinlich Gerry Adler. Die beiden waren damit einverstanden gewesen, daß Joe und seine Truppe hier einzogen. Um so schneller war der Kasten heruntergewohnt. An Renovierung war ohnehin kaum zu denken. Schade, daß man den Arschlöchern nur in die Hände arbeiten würde, wenn man den Kasten anzündete, dachte Mascha.
    Auf dem Hof zog sie ihre Schuhe an, die sie bis hierher in den Händen getragen hatte, und sah noch mal an der Fassade hinauf. Mit etwas Phantasie konnte man sich ausmalen, daß das einmal ein schönes Haus gewesen war, irgendwann vor dem Krieg oder vor den Kriegen – Mascha kannte sich da nicht so aus. Sie zog Jürgens Ersatzautoschlüssel aus der Tasche und schloß den aufgemotzten Mazda auf, der im Hof neben dem Abschleppwagen geparkt war.
    Als sie losfuhr, schob sie eine Kassette in den Rekorder. »Born to be wild«. Dieser abgehackte alte Song paßte zu Jürgen.
     
    Patrick kam aus dem Haus, in dem Günter Gächter wohnte. Der Junge schlenkerte eine leere Leinentasche in der rechten Hand und sprach laut vor sich hin: »Drei Brezeln, drei Brötchen und eine große Schneckennudel!« Er machte ein paar Wechselschritte, ging dann ein Stück mit dem Fuß auf dem Bordstein und mit dem andern im Rinnstein und skandierte erneut: »Drei Brezeln, drei Brötchen und eine große Schneckennudel.«
    Plötzlich stoppte ein Auto neben ihm. Mascha sprang heraus und packte ihn.
    »Ey, was ist denn los?«, schrie Patrick.
    Mascha fuhr ihn an: »Still, und mach jetzt bloß keinen Scheiß!«
    Sie hielt ihm Jürgens Waffe an den Kopf und zerrte ihn zu dem Mazda. Weit und breit war außer den beiden niemand zu sehen. Mascha stieß Patrick auf den Rücksitz des Wagens, drückte den Knopf runter und schlug die Tür zu. Patrick wollte den Knopf wieder hochziehen, aber da war Mascha schon im Wagen und haute ihm den Lauf des Revolvers auf die Finger. Patrick schrie vor Schmerzen auf.
    »Ich hab dir gesagt, du sollst keinen Scheiß machen«, herrschte Mascha ihn an.
    Beim Versuch, den Motor zu starten, starb er ihr zweimal ab. Patrick preßte die Lippen aufeinander. Das mußte mit Onkel Günter zu tun haben. Und er war sich ganz sicher, daß diese Frau keine Chance gegen ihn hatte. Endlich sprang der Motor an und Mascha fuhr mit quietschenden Reifen los.
     
    »Und? Wo ist dein Neffe?« Kerstin wirbelte herein, küßte Günter Gächter auf den Mund und stellte eine Tasche auf die Anrichte in der Küche. »Ich hab Brezeln, Brötchen und Schneckennudeln gekauft.«
    Gächter schaute auf die Uhr. »Er müßte längst wieder da sein. Ich hab ihn nur schnell zum Bäcker geschickt.«
    »Zum Bäcker Lang unten an der Ecke? Da war ich grade, aber ich hab keinen Jungen gesehen.«
    Gächter spürte plötzlich eine seltsame Leere im Kopf. Unvermittelt brach ihm der Schweiß aus. »Und auf der Straße?«
    »Keine Menschenseele.«
    Gächter schnappte sich seine Jacke und rannte aus der Wohnung.
     
    Ein paar Minuten später stürmte Gächter in die Bäckerei. »Entschuldigen Sie bitte«, rief er schon von der Schwelle her, aber eine stämmige
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