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Erloschen

Erloschen

Titel: Erloschen
Autoren: Alex Kava
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sie die Anruferin.
    »Hey, tut mir leid, dass ich dich wecke.«
    »Nein, ist okay. Ich bin noch auf.«
    Maggie staunte. Es passte nicht zu der brüsken Julia Racine, sich für irgendetwas zu entschuldigen. Für gewöhnlich war einiges nötig, bis die örtliche Leiterin der Mordkommission ihre weiche Seite zeigte. Maggie hatte das erst wenige Male erlebt.
    »Ich habe Tully bereits angerufen. Unser Glühwürmchen war wieder aktiv«, sagte Racine hastig. »Und diesmal hat er uns eine Leiche dagelassen.«

4
    Washington , D.C.
    R. J. Tully zeigte dem Uniformierten am ersten Absperr band seine Dienstmarke. Der Mann nickte, und Tully duckte sich unter dem Band hindurch. Er wünschte, er hätte sich etwas Wärmeres als den Trenchcoat überge zogen.
    Und, verdammt, woher kam der Fleck am Revers?
    Egal. Er hatte sowieso keine große Auswahl gehabt. Die Nächte bei Gwen Patterson zu verbringen, war noch relativ neu für ihn. Seine Tochter Emma war im zweiten Semester am College, also gab es keinen Grund, nach Hause zu fahren. Trotzdem konnte er es nicht leiden, seine Kleidung auf zwei verschiedene Haushalte zu verteilen. Er war dreizehn Jahre lang verheiratet und danach fünf Jahre allein gewesen. Offenbar musste er sich erst daran gewöhnen, wieder eine Beziehung zu haben.
    Gwen hatte ihm großzügig eine Schublade und einen Teil des Wandschranks freigeräumt, fast einen halben Me ter neben ihren weichen, bunten Sachen. Mit nur einem Hemd und einer Hose sah dieser Schrankteil ziemlich trostlos aus. Das alles kam ihm falsch vor. Es war, als hätte er sich bei ihr eingenistet, und das behagte ihm nicht, ganz gleich, wie sehr er Gwen liebte.
    Als der Anruf sie beide weckte, hätte Tully sich ärgern oder zumindest enttäuscht sein müssen, weil er fort musste – alles, nur nicht erleichtert.
    Zum Glück war Gwen viel zu verschlafen gewesen und hatte es nicht bemerkt.
    Er trat beiseite, um zwei Feuerwehrmänner vorbeizulassen, die auf die Rauchschwaden zuliefen. Noch vor Sonnenaufgang würde das hier als Alarmstufe zwei eingestuft werden. Innerhalb einer knappen Woche hatte Tully mehr über Feuer gelernt, als ihm lieb war.
    Ein Nebeneffekt seiner Übernachtung bei Gwen war, dass er den Tatort früher erreichte. Was ihm nicht unbedingt recht war. Doch von Gwens Wohnung in Georgetown waren es – um diese nachtschlafende Zeit – eben nur fünf bis zehn Minuten Fahrt anstatt der dreißig bis vierzig, die er von seinem Bungalow in Reston, Virginia, gebraucht hätte.
    Er machte das Beste aus seiner frühen Ankunft und stellte sich mit dem Rücken in den Wind, sodass ihn die Hitze des Feuers wärmte. Sie fühlte sich richtig gut an, vertrieb die nächtliche Kälte und ließ ihn für eine Weile vergessen, dass sein Trenchcoat viel zu dünn war. Für Februar waren die Tage außergewöhnlich warm gewesen, die Nächte hingegen erinnerten daran, dass der Winter noch nicht vorbei war.
    Tully schob seine Brille nach oben. Er zückte einen Kuli und suchte seine Taschen nach einem Block, Zettel oder etwas anderem ab, auf dem er schreiben konnte. Schließlich musste er sich mit einem Kassenbon begnü gen. Dann wählte er eine Stelle unter einer Eiche, wo er niemandem im Weg war, und begann, sich die Schaulustigen genauer anzusehen.
    Der Son of Sam hatte gestanden, Hunderte von Bränden gelegt zu haben. Er behauptete, ein Serienbrandstifter gewesen zu sein, noch ehe er sein erstes Opfer erschossen hatte. Er legte ein Feuer, dann stellte er sich irgendwo in die Nähe, wo man ihn nicht bemerkte, guckte den Flammen zu, genoss das Chaos und masturbierte.
    Tully studierte die Gesichter im Flammenschein, wobei er sich bemühte, das Knacken und Knistern hinter sich nicht zu beachten. Eine Kamerafrau und ein Reporter hatten sich bereits nahe dem Absperrband postiert.
    Wie sind die so schnell hergekommen?
    Tully notierte: »Wer hat die Feuerwehr gerufen?«
    Dann blickte er an den beiden Journalisten und den Schaulustigen hinter ihnen vorbei zu den Eingängen der Nebenstraßen und den Gehwegen auf der anderen Straßenseite. Seine Augen wanderten über die Dächer. Aufmerksam musterte er die Fensterreihen der umlie genden Gebäude. Soweit er wusste, waren dies alles Lager häuser, keine Wohnungen, also wäre es verdächtig oder zumindest ungewöhnlich, in einem der Stockwerke eine Bewegung oder Licht zu sehen.
    Er ging auf die andere Seite des Baumes und sah sich den Häuserblock nebenan genauer an. In dem Moment fiel ihm auf, dass einige der
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