Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erloschen

Erloschen

Titel: Erloschen
Autoren: Alex Kava
Vom Netzwerk:
bekam.
    Bewusst vermied er es, sich umzublicken. Geschirr klapperte, Stimmen raunten, Maschinen wurden an- und ausgeschaltet, Stuhlbeine schabten auf dem Linoleum. Es war ziemlich viel los, und Cornell fühlte deutlich, dass er beobachtet wurde.
    Nachdem er die Serviette aufgewickelt und sein Besteck ordentlich auf den Tresen gelegt hatte, breitete er sie auf seinem Schoß aus. Die Blicke der anderen ignorierte er und tat so, als würde der Körpergeruch nicht von ihm stammen. Er versuchte ja, sich möglichst sauber zu halten, schaffte es sogar einmal pro Monat in den Waschsalon, aber duschen stellte jedes Mal ein Problem dar.
    Schließlich nahm Cornell den Suppenlöffel und zwang sich, nicht Hilfe suchend aufzublicken. Seine Finger erinnerten sich langsam daran, was sie zu tun hatten. Er vollführte jede einzelne Bewegung mit größter Sorgfalt, damit er nicht kleckerte, nicht schmatzte, sich nicht mit der Hand über den Mund fuhr oder schlürfte.
    Nun, auf dem langen Marsch zurück zu seinem Pappzuhause, nippte er immer wieder verstohlen an seiner brandneuen Flasche. Das Essen war zwar köstlich gewesen, hatte jedoch seinen Magen durcheinandergebracht. Dagegen würde der Whiskey helfen. Das tat er immer. Whiskey war ein Sofort-Allheilmittel gegen so ziemlich alles, was Cornell nicht fühlen, erinnern oder sein wollte. Heute Abend verkürzte er ihm den Weg und wärmte ihn, als die nächtliche Kälte einsetzte.
    Cornell war kaum um die Ecke der Gasse gebogen, als er bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Die Luft roch anders, ranzig, aber nicht nach altem Abfall. Und etwas brannte.
    Nein, brannte nicht, sondern qualmte.
    Cornells Nasenflügel bebten. Es gab kein Restaurant in der Nähe. Das Backsteingebäude, vor dem er seinen Karton lagerte, stand leer. Das war alles, was ihn interessierte, und normalerweise quoll der Müllcontainer nicht über oder stank. Dies waren die entscheidenden Faktoren für ihn gewesen, als er sein Lager hier aufgeschlagen und den Maytag-Karton zwischen Mauer und Container eingeklemmt hatte.
    Und jetzt fiel ihm auf, dass sein Karton nicht zu sehen war. Selbst wenn er versteckt war, lugte meistens eine Lasche heraus, egal wie sehr Cornell sich auch bemühte, ihn ganz hinter dem Container verschwinden zu las sen. Vor Panik zog sich sein Magen zusammen. Cornell umklammerte die Flasche fester und eilte die Gasse hin unter. Er hatte noch nicht besonders viel getrunken, trotzdem waren seine Schritte holprig, und ihm war schwindlig. Die einzigen beiden Decken, die er besaß, waren in dem Karton, zusammen mit einer Sammlung anderer Schätze, die er nicht mit sich herumschleppen wollte.
    Als er näher kam, wurde der Gestank schlimmer: säuerlich, metallisch und noch etwas anderes. Wie Feuerzeugbenzin. Hatte jemand ein Feuer gemacht, um sich zu wärmen?
    Wenn die dafür seinen Karton hergenommen hatten, konnten sie was erleben.
    In diesem Moment sah er ein Stück Pappe. Vor lauter Erleichterung brach ihm kalter Schweiß aus. Der Karton war noch da. Er war bloß weiter hinter den Müllcontainer geschoben worden. Und er war nicht mehr leer.
    Drecksack!
    Cornell wollte seinen Augen nicht trauen. Irgendein Schwein lag in seinem Zuhause, die Füße herausgestreckt. Ohne die nackten Füße hätte Cornell ihn für einen Altkleiderhaufen gehalten.
    Er trank einen kräftigen Schluck Jack Daniel’s, schraubte den Deckel sorgsam wieder zu und stellte die Flasche an der Mauer ab. Dann schob er seine Ärmel bis zu den Ellbogen hoch und stampfte auf den Karton zu.
    Keiner nahm ihm sein beschissenes Zuhause weg!
    »Hey, du da!«, brüllte er und packte die Knöchel. »Mach, dass du wegkommst.«
    Wütend zog und zerrte Cornell. Er wunderte sich, dass es so leicht ging. Der andere wehrte sich nicht. Dennoch zog er weiter, bis der Eindringling vor der Mülltonne lag und dessen verfilztes Haar über den schmutzigen Straßenbelag wischte. Bevor Cornell die Knöchel losließ, drehte er den leblosen Körper mit einem Fußtritt um.
    Und dann sah er, warum sich der Eindringling nicht gewehrt hatte.
    Säure stieg ihm in die Kehle. Er stolperte rückwärts, fiel über seine eigenen Füße und krabbelte panisch weiter, keuchend und würgend.
    Das Gesicht war ein blutiger Matsch aus Fleisch und Knochen. Wo ein Auge hätte sein sollen, klaffte ein gezacktes Loch, ebenso an der Stelle, wo ehedem ein Mund gewesen war. Haarsträhnen klebten in dem Blutbrei.
    Cornell hatte sich knapp auf die Knie aufgerappelt, als ihm die Suppe und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher