Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht
Autoren: MAGGIE SHAYNE
Vom Netzwerk:
aber Roland war sich sicher, dass er Bescheid wusste. Der Junge war zu intelligent, um nicht eigene Schlussfolgerungen zu ziehen, und mit seinen Schlussfolgerungen lag er meistens richtig. Roland sah ihn an und nickte nur.
    „Sie sollte doch nicht da draußen bei Curtis sein“, sagte Jamey.
    „Da hast du recht. Geh rein und warte im großen Saal auf mich.“ Roland sah zum Tor, während er das sagte. Als Jamey weder antwortete noch gehorchte, warf Roland ihm einen stechenden Blick zu.
    Jamey schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin kein kleines Kind mehr und habe es satt, dass andere Leute meine Kämpfe für mich ausfechten.“
    Roland hätte ihn fast angebrüllt, doch er machte nur die Augen zu und schüttelte den Kopf. Einen Moment hätte er schwören können, dass er sein Ebenbild vor sich sah und an dem Tag, bevor er sein Elternhaus für immer verlassen hatte, mit seinem Vater stritt. Vierzehn. Ja, so alt war er auch gewesen. Und gerade mal zwei Jahre später …
    Er verdrängte die Erinnerung an das blutige Schlachtfeld.
    „Es gibt keinen Kampf zu kämpfen“, sagte er ruhig. „Bitte geh einfach rein, damit ich Rhiannon holen kann. Gott allein weiß, in welche Schwierigkeiten sie ohne Beistand wieder gerät.“
    Jamey trat ungebührlich heftig nach einem Kieselstein und strich sich mit einer Hand durch das Haar. „Warum kann er uns nicht einfach in Ruhe lassen?“
    „Weil er noch atmet.“ Rhiannons Stimme erschreckte Jamey. Er drehte überrascht den Kopf. Roland machte nur langsam kehrt und sah ihr entgegen. Er hatte gehört, wie sie nach ihrem Sprung über die Mauer gelandet war.
    Jemand anders offenbar auch. Eine hochgewachsene, knorrige Gestalt löste sich aus den Schatten und baute sich genau zwischen Rhiannon und Jamey auf. Sie blieb mit hochgezogenen Brauen stehen.
    „Schon gut, Frederick. Sie ist eine Freundin.“
    Rhiannons geringschätziger Blick kreuzte sich mit dem argwöhnischen Fredericks. Rhiannon ging noch einen Schritt weiter. „Erinnerst du dich nicht mehr an mich, Freddy?“
    Er runzelte die Stirn und legte den Kopf schief. Dann nickte er lächelnd. „Rhia…, Rhian…“
    „Rhiannon“, half sie ihm.
    Frederick runzelte die Stirn, da er sich offenbar an eine geringfügig andere Version ihres sich in ständiger Veränderung befindlichen Namens erinnerte. Roland trat dazu und überwand die Entfernung zwischen ihnen mit Jamey an der Seite. Er hoffte, man würde seinem Gesicht nicht ansehen, wie erleichtert er war, dass sie es heil und unversehrt geschafft hatte.
    „Was hast du mit Rogers gemacht?“
    Rhiannon beachtete Rolands Frage nicht und ließ ihren dunklen Blick auf Jamey verweilen, der sie seinerseits ansah, als bestünde sie aus Schokolade.
    „Hallo, Jameson. Ich habe schon viel von dir gehört.“ Sie hob die Hand, während sie das sagte; Jamey ergriff sie augenblicklich, senkte dann jedoch den Kopf, als wüsste er nicht so recht, was er jetzt machen sollte.
    „Schön, Sie, ähem, kennenzulernen.“ Er ließ ihre Hand los, nachdem er sie kurz gedrückt hatte.
    „Rhiannon …“
    Sie sah Roland in die Augen. „Hast du Angst, dass ich ihn getötet habe? Wären wir nicht alle besser dran, wenn ich es getan hätte?“
    „Das auf jeden Fall“, antwortete Jamey leise.
    Roland schüttelte den Kopf. „Töten ist niemals gerechtfertigt, Jameson. Nichts wird dadurch besser, im Gegenteil – es kann den Täter ebenso zerstören wie das Opfer. Mehr noch als das. Das Opfer behält wenigstens seine Seele. Die des Täters dagegen geht Stück für Stück zugrunde.“
    Rhiannon verdrehte die Augen, worauf Jameson sie fast anlächelte. Sie bemerkte es und schenkte ihm ihr unwiderstehliches verhaltenes Lächeln, ehe sie sich wieder an Roland wandte. „Also, wenn du zu gütigen Herzens bist, den Mann zu töten, was schlägst du dann vor? Er hat Jameys Aufenthaltsort offensichtlich herausgefunden. Wir können nicht einfach hier sitzen und warten, bis er den Jungen holen kommt.“
    „Ich bin kein Junge“, sagte Jamey.
    „Ich denke, Jameson sollte eine Weile in die Staaten gehen, etwas Zeit mit Eric und Tamara verbringen. Dort ist es sicherer für ihn.“ Roland sah den Jungen an, um festzustellen, was er von dem Vorschlag hielt.
    Jamey stellte sich breitbeinig hin und hob das Kinn. „Ich laufe nicht vor ihm davon.“
    Rhiannons gütiger Blick überschüttete Jamey mit Bewunderung. Er spürte es und richtete sich noch höher auf. Roland fühlte sich überstimmt. „Was hast du mit Rogers
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher