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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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Schleich dich um uns herum und halte den Jungen auf. Ich lenke den hier ab.
    Wenn er merkt, dass du eine Unsterbliche bist …, wollte Roland sie warnen.
    Ihr tiefes, heiseres Lachen tönte zu ihm herüber; Rogers’ Augen wurden groß. Sieh ihn dir doch an, Roland, der ist vollauf damit beschäftigt zu begutachten, dass ich eine Frau bin. Sie trat noch näher zu dem Mann hin, als wollte sie es beweisen. Sie hob die Hand und strich mit dem Fingernagel am Saum seines Revers entlang. Rogers’ Aufmerksamkeit war abgelenkt. Roland hätte um den Trottel herumtanzen können, ohne dass der es bemerkt hätte. Eifersucht stieg ihm wie Erbrochenes im Hals hoch und verdrängte die Sorge um sie. Er verschwand unter den Bäumen am Straßenrand und kam hastig wieder hervor, als er an den beiden vorbei war. Jamey näherte sich ihm und war nur noch wenige Meter entfernt.
    „Jameson … hier ist Roland. Komm sofort her.“
    Jamey duckte sich, ohne einen Moment zu zögern, unter die Bäume, wo Roland wartete. „Was ist los?“
    Roland runzelte die Stirn, als er den anschwellenden Bluterguss unter Jameys linkem Auge und die leicht aufgeplatzte Oberlippe bemerkte. „Was in Gottes Namen ist denn mit dir passiert?“
    Jamey zuckte so unbekümmert die Achseln, wie es nur Vierzehnjährige können. „Fußball ist ein rauer Sport.“ Er sah die Straße hinab, worauf der unbekümmerte Gesichtsausdruck verschwand. „Wer ist das?“
    Manchmal besaß er eine Reife, die seinem Alter um Jahre voraus schien, und hütete Roland so sehr, wie dieser einst Tamara gehütet hatte. „Ich möchte dich nicht beunruhigen, Jameson, aber der Mann in dem Auto ist …“
    „Rogers!“ Jamey erkannte Curtis, als der eine besser einsichtige Stelle betrat, und sprang.
    Roland packte ihn an der Schulter und hielt ihn mühelos fest. „Was soll denn das werden?“
    „Dieser Dreckskerl hätte mich fast getötet! Wenn ich den in die Finger kriege, dann …“
    „Pass auf, was du sagst, Jameson! Bleib ruhig und tu, was ich dir sage. Einen Kampf gegen einen erwachsenen Mann kannst du nicht gewinnen.“
    „Ich bin viel größer als vor zwei Jahren“, sagte Jamey mit gefährlich tiefer Stimme. „Und du weißt, dass er es verdient hat. Ich schulde es ihm.“ Ein unversöhnliches Feuer loderte in seinen schokoladenbraunen Augen.
    Roland spürte, wie ihm ein Schauder über den Rücken lief. Herrgott, dabei kam Jamesons Reaktion ihm so bekannt vor. Die Wut, der Zorn … Roland war in diesem Alter kein bisschen anders gewesen. Und das hätte beinahe seinen Untergang bedeutet. Andere waren dadurch zugrunde gegangen. Zu viele andere.
    „Das stimmt, Jameson. Aber …“
    Jameys Gegenwehr ließ plötzlich nach. „Wer ist denn das?“ Seine Augen wurden groß; Roland folgte seinem Blick und sah, wie Rhiannon Curtis Rogers’ Haar verspielt zerzauste.
    Roland verspürte ein wütendes Kribbeln im Bauch. „Eine Freundin von mir. Ihr Name ist Rhiannon. Ich glaube, sie denkt, dass sie Rogers ablenkt, damit du dich unbemerkt ins Schloss schleichen kannst.“
    Jamey schluckte. „Sie sieht atemberaubend aus.“
    Roland sah sie nur noch einen Moment an. Das Mondlicht strich wie eine liebkosende Hand über die seidenweiche Haut ihrer Schultern. „Ja“, sagte er dann leise. Und schüttelte sich. „Ja. Offenbar findet Rogers das auch.“
    Rogers legte eine Hand auf Rhiannons bloße Schulter und strich langsam an ihrem Arm hinab. Roland fühlte, wie eine Wut, die er bislang selten erlebt hatte, durch seine Adern strömte. Einen Moment lang verspürte er den dringenden Wunsch, den kalten Griff eines Schwerts in Händen zu halten. Doch dann rief er sich ins Gedächtnis zurück, dass diese Zeiten vorbei waren.
    „Komm, Jamey, bevor sie beschließt zu …“ Er verstummte, ehe er die Bemerkung zu Ende sprechen konnte.
    Jamey blickte zu ihm auf und sah dann wieder zu Rhiannon; plötzliches Verständnis leuchtete in seinen Augen. Er sagte nichts, sondern nickte nur und folgte Roland in den Wald und zu der hohen Burgmauer. Er legte Roland einen Arm um die Schultern und Roland ihm, dann sprangen sie mühelos über die hohe Mauer und landeten mit einem Poltern auf der anderen Seite. Jamey stolperte bei der Landung. Er schüttelte verlegen den Kopf, stand auf und strich sich Staub von den Jeans. „Eines Tages kriege ich den Bogen schon raus.“
    Roland hörte Rhiannons tiefes Lachen durch die Nacht hallen.
    „Ist sie … wie du?“ Jamey hatte noch nie das Wort „Vampir“ benutzt,
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