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Eric

Eric

Titel: Eric
Autoren: Terry Pratchett
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saß am Rand einer kleinen Grube. Darin war ein Mann an einen Felsen gekettet und streckte alle viere von sich.
Ein sehr müde wirkender Vogel hockte neben ihm. Bisher hatte Rincewind angenommen, daß Erics Papagei Mitleid verdiente, doch dieser Vogel schien durch die Mangel des Lebens gedreht worden zu sein. Er erweckte den Eindruck, als habe man ihn erst gerupft und die Federn anschließend wieder an seinem Leib befestigt.
Neugier besiegte die übliche Feigheit des Zauberers.
»Was ist hier los?« fragte er. »Was geschieht mit dem Mann?«
Die Beine des Dämons baumelten über den Rand der Grube. Es kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, Rincewinds Gegenwart in Frage zu stellen.
Sicher vermutete er, daß der Fremde einen guten Grund hat, um hier zu sein.
Die Alternative wäre unglaublich gewesen.
»Ich weiß nicht, was er angestellt hat«, sagte Azaremoth. »Als ich hier eintraf, bestand seine Strafe darin, an den Felsen gekettet zu werden – jeden Tag sollte ein Adler kommen und an seiner Leber picken. Eine der traditionellen Methoden.«
»Heute scheint der Vogel keinen Appetit zu haben«, bemerkte Rincewind.
»Tja, inzwischen hat sich alles geändert. Er fliegt jetzt jeden Tag hierher und erzählt dem Mann von seiner Bruchoperation. Oh, es wirkt«, versicherte der Dämon traurig, »aber unter einer richtigen Folter verstehe ich etwas anderes.«
Bevor sich Rincewind abwandte, sah er die unbeschreibliche Qual im Gesicht des Opfers. Es war schrecklich.
Doch anderenorts ging es noch schrecklicher zu. In der nächsten Grube lagen mehrere gefesselte und stöhnende Menschen, denen man Bilder zeigte.
Ein Dämon las laut vor:
»… hier sind wir im Fünften Kreis, aber man kann nicht sehen, wo wir gewohnt haben, die Pension befindet sich weiter links, und hier lernten wir das nette Paar kennen, es wohnte auf der Eisebene des Verhängnisses, direkt nebenan…«
Eric drehte sich zu Rincewind um.
»Der Dämon zeigt ihnen Urlaubsbilder?« fragte er verwirrt.
Beide hoben sie die Schultern, gingen weiter und schüttelten den Kopf.
Kurz darauf erreichten sie einen kleinen Berg. Am Fuß des Berges lag ein runder Felsen, und daneben saß ein Mann mit Ketten an den Händen.
Verzweifelt ließ er die Schultern hängen. Ein untersetzter grünhäutiger Dämon stand vor ihm und hielt ein geradezu riesiges Buch in den Klauen.
» Davon habe ich gehört«, sagte Eric. »Jemand, der die Götter herausforderte oder so. Er muß den Felsen am Hang hinaufwälzen, und wenn er den Gipfel erreicht, rollt das Ding wieder nach unten.«
Der Dämon sah auf.
»Aber vorher«, trillerte das Wesen, »muß er sich die Vorschriften in Hinsicht auf das ungesunde und gefährliche Heben beziehungsweise Bewegen großer Objekt anhören.«
Genauer gesagt: Band 95 der erläuternden Kommentare. Die eigentlichen Vorschriften sind in weiteren 1440 Bänden festgehalten. Zumindest ihr erster Teil.

    Rincewind hatte die Langeweile immer sehr geschätzt, wenn auch nur aufgrund ihres Seltenheitswerts. Sein bisheriges Leben schien nur daraus bestanden zu haben, gejagt, verfolgt, eingekerkert oder von irgend etwas getroffen zu werden. Wenn er nicht geflohen war, so meistens nur aus dem Grund, weil er gerade in die Tiefe stürzte. Zwar ähnelte ein Fall weitgehend dem anderen, doch von Langeweile im eigentlichen Sinn konnte man dabei nicht sprechen. Die einzigen angenehmen Erinnerungen verband er mit seiner leider nur kurzen Tätigkeit als stellvertretender Bibliothekar der Unsichtbaren Universität; damals gab es nicht viel mehr zu tun als zu lesen, dafür zu sorgen, daß es für seinen Vorgesetzten immer genug Bananen gab, und ihm manchmal dabei zu helfen, ein besonders widerspenstiges Buch zu bändigen.
    Jetzt begriff Rincewind, warum die Langeweile einen so großen Reiz auf ihn ausübte. Mit ihr ging die Überzeugung einher, daß woanders aufregende und gefährliche Dinge geschahen, die einen zum Glück nicht betrafen. Wenn Langeweile angenehm sein sollte, mußte man sie mit etwas vergleichen.
Doch in diesem Fall handelte es sich um Langeweile, die aus Langeweile wuchs, die sich selbst förderte, bis sie die Qualität eines gewaltigen, alles zermalmenden Vorschlaghammers gewann, der Gedanken und Erfahrungen lähmte, die Ewigkeit so weich klopfte wie Flanell.
    »Das ist entsetzlich«, murmelte Rincewind.
    Der an den Händen gefesselte Mann hob den Kopf und schnitt eine Grimasse. »Das kannst du laut sagen«, erwiderte er. »Es hat mir fast gefallen , den Felsen
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