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Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Titel: Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser
Autoren: Patricia A. McKillip
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Zorn und Schmerz ihren Namen, ihre Geschichte und sprach ihren Namen aus, wäh-rend sie ihr ohne Waffen und ohne Kronen stumm auf der anderen Seite des Saales gegenüberstanden: Acor, Ohro der Verfluchte, voll Schmerz um seine Söhne, Nemir, der die Sprache der Schweine gesprochen hatte, Farr, der sich um ei-nes sechshundert Jahre alten Schädels willen ihrem Gebot gebeugt hatte, Evern, der bei der Verteidigung seines Hauses mit seinen Falken gestorben war. Das Feuer um sie herum verlosch flackernd, wurde zu Sonnenschein auf den Fliesen. Sie sah wieder den Harfner des Erhabenen unter den Königen. Sie sah Oen. Er saß nicht mehr auf seinem Pferd, sondern stand neben ihm. Sein Gesicht hielt er auf den Rücken des Pferdes gedrückt. Erst da sah sie den schwarzen, zackigen Riß, der die Steinplatte zu seinen Füßen von einem Ende zum anderen durchzog.
    Sie sprach seinen Namen. Indem sie ihm seinen Namen gab, schien sie ihn in klares Licht zu rücken; er war der beängstigende Geist eines Toten, der einst, vor Jahrhunderten, ein König von An gewesen war. Der Haß in ihr schwoll nur schwach gegen ihn, gegen ihre Gabe, klar zu sehen. Noch einmal brandete er auf, versickerte dann wie Wasser im Sand. Sie war frei danach, und während sie auf den zersprungenen Stein blickte, fragte sie sich, welchen Namen sie für den Rest ihres Lebens in diesem Saal tragen würde.
    Sie merkte plötzlich, daß sie stark zitterte, daß sie kaum noch stehen konnte. Rood, der neben ihr war, hob seine Hand, um sie zu stützen, doch auch er schien keine Kraft zu haben; er konnte sie nicht berühren. Sie sah Duac auf den gespaltenen Stein starren. Langsam wandte er den Kopf und sah sie an. Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf, denn auch er hatte keinen Namen für sie. Durch’die Kraft ihrer Gabe war sie heimatlos geworden, war ihr nichts geblieben. Ihre Augen glitten von ihm weg zu einem Streifen Dunkelheit, der zwischen ihnen zu ihren Füßen lag. Langsam dämmerte ihr, daß das Dunkle ein Schatten war, der in einem Saal voll von schattenlosen Toten auf dem Boden lag.
    Sie drehte sich um. Der Sternenträger stand auf der Schwelle. Er war allein; Oens Gefolge war verschwunden. Er beobachtete sie; am Ausdruck seiner Augen erkannte sie, wieviel er gesehen hatte. Während sie ihn hilflos anblickte, sagte er leise: »Rendel.« Es war keine Warnung, kein Richtspruch, es war einfach ihr Name, und sie hätte weinen mögen bei seiner Bestätigung.
    Endlich trat er über die Schwelle. Einfach gekleidet, allem Anschein nach unbewaffnet, trat er still und zurückhaltend unter die schweigenden Könige, und doch zog er, während er so dahinschritt, ihrer aller Aufmerksamkeit auf sich. Die dunklen Schleier von Schmerz, Haß und magischer Kraft, die auf dem ganzen Weg nach Anuin über ihnen allen gehangen hatten, waren nicht mehr die furchterregenden Schatten von Zauberei, sondern etwas, das sie alle erkannten. Morgons Augen, die von Antlitz zu Antlitz wanderten, fanden Thod. Er blieb stehen. Rendel, deren Geist geöffnet war und empfänglich, spürte, wie die Erinnerungen ihn bis ins Mark erschütterten. Langsam ging er weiter. Die Könige rückten lautlos von dem Flarfner ab. Thod, der den Kopf gesenkt hielt, schien den letzten Schritten einer langen Wanderung zu lauschen, die für sie beide am Erlenstern-Berg begonnen hatte. Als Morgon ihn erreichte, hob er den Kopf. Erbarmungslos lag das Sonnenlicht auf den Linien, die in sein Gesicht eingegraberi waren.
    Ruhig, ohne ein Schwanken in der Stimme, sagte er: »Welche Lehrsätze der Gerechtigkeit habt ihr am Erlenstern-Berg dem Gehirn des Erhabenen entnommen?«
    Morgon hob die Hand und zog sie dem Harfner in einem wütenden Schlag mit dem Handrücken über das Gesicht, bei dem selbst Farr die Augen aufriß. Mit Mühe fand der Harfner sein Gleichgewicht wieder.
    Mit einer Stimme, die von Schmerz verzerrt war, erwiderte Morgon: »Ich habe genug gelernt. Von euch beiden. Mir liegt nichts an einer Auseinandersetzung über Gerechtigkeit. Mir liegt daran, Euch zu töten. Doch weil wir uns im Saal eines Königs befinden und Euer Blut seinen Boden beflecken wird, scheint es mir nur angemessen zu erklären, warum ich es vergießen werde. Ich wurde Eures Harfenspiels müde.«
    »Es brach das Schweigen.«
    »Gibt es denn nichts auf dieser Welt, das Euer Schweigen brechen wird?« Seine Worte sprangen formlos in den hochgelegenen Ecken des Saales hin und her. »Ich muß dort in jenem Berg genug geschrien haben, um alles
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