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Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Titel: Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel
Autoren: Patricia A. McKillip
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ist fünfhundert Jahre alt. Er lebt in einem Turm, in den er von Oen und den Königen von An verbannt wurde.«
    »Wie sieht er aus?« fragte Tristan. Ehrfürchtige Scheu schwang in ihrer Stimme.
    Morgon zuckte leicht die Achseln; seine Augen waren den anderen verborgen.
    »Er ist ein Greis. Ein alter Fürst, dessen Augen die Antworten auf tausend Rätsel bergen. Einst wettete er, daß keiner in einem Rätselkampf mit ihm siegen könnte. Die Wette hat immer noch Gültigkeit. Da bin ich mit den Händlern hinübergefahren und habe ihn herausgefordert. Er sagte, große Fürsten von Aum, An und Hel - den heutigen drei Teilen von An - und selbst Rätselmeister von Caithnard hätten ihn schon herausgefordert, niemals aber ein Bauer aus Hed. Ich erwiderte ihm, ich hätte viel gelesen. Darauf spielten wir. Und ich gewann. Da hab ich die Krone mit nach Hause gebracht und sie unter mein Bett gelegt, um später zu beschließen, was ich mit ihr anfangen würde. Nun, war dies das ganze Gebrüll wert?«
    »Er mußte seine Krone geben, als er verlor«, sagte Eliard ruhig. »Was hättest du geben müssen, wenn du verloren hättest?«
    Vorsichtig betastete Morgon seine aufgeplatzte Lippe. Seine Augen schweiften zu den Feldern hinter Eliard. »Nun«, antwortete er schließlich. »Weißt du, ich mußte gewinnen.«
    Mit einem Ruck richtete sich Eliard auf. Die Hände zu Fäusten geballt, trat er zwei große Schritte von Morgon weg. Dann drehte er sich um, kam langsam zurück und setzte sich wieder nieder.
    »Na!«
    »Fang nicht wieder an«, bat Tristan.
    »Ich bin kein Narr«, widersprach Morgon. »Ich habe ja den Kampf gewonnen, oder nicht?« Sein Gesicht war reglos, seine Augen lagen ruhig auf Eliards Gesicht, schienen aber in die Ferne zu blicken. »Kern von Hed, der Prinz mit dem Kohlkopf in der Krone - «
    »Lenk nicht - «
    »Das tue ich ja gar nicht. Kern von Hed, dem einzigen Herrscher von Hed, der außer mir eine Krone besaß, geschah es eines Tages, daß er von einem Ding verfolgt wurde, das keinen Namen hatte. Vielleicht war es die Wirkung des Herun-Weins. Immer wieder, unaufhörlich, rief das Ding seinen Namen. Er lief vor ihm weg, rannte in sein Haus mit sieben Zimmern und sieben Türen und verschloß jede Tür hinter sich, bis er zum innersten Gemach gelangte, aus dem es kein Entkommen mehr gab. Und er hörte, wie eine Tür nach der anderen aufgerissen und jedesmal sein Name gerufen wurde. Er zählte das Öffnen der Türen und kam bis sechs, und sechsmal wurde sein Name gerufen. Dann wurde vor der siebenten Tür wieder sein Name gerufen; aber das Ding rührte die Tür nicht an. Verzweifelt wartete er darauf, daß es eindringen würde, doch das tat es nicht. Da wurde er ungeduldig, fieberte danach, daß das Ding eintreten sollte, aber es kam nicht. Schließlich streckte er den Arm aus und öffnete die Tür selbst. Das Ding war fort. Und er konnte sich nur bis an das Ende seiner Tage immer wieder fragen, was das für ein Ding gewesen war, das ihn gerufen hatte.«
    Morgon schwieg.
    »Und? Was war es?« fragte Eliard, ohne es zu wollen.
    »Kern öffnete die Tür nicht. Dies ist das einzige Rätsel, das in Hed seinen Ursprung hat. Im Sinne der Rätselmeister von Caithnard ist die Lehre daraus diese: Löse das ungelöste Rätsel. Also tue ich es.«
    »Das ist nicht dein Geschäft! Du sollst das Land bestellen, nicht bei einem törichten Rätselwettbewerb mit einem Geist dein Leben einsetzen für eine Krone, die wertlos ist, weil du sie unter deinem Bett versteckt hältst. Hast du eigentlich an uns gedacht? Bist du vor oder nach dem Tod unserer Eltern dort hinübergefahren? Vorher oder nachher?«
    »Nachher«, warf Tristan ein.
    Eliards Faust schlug klatschend in eine Pfütze Milch.
    »Ich hab es gewußt.«
    »Ich bin ja zurückgekommen.«
    »Und wenn du nicht zurückgekommen wärst?«
    »Aber ich bin ja zurückgekommen! Warum versuchst du nicht zu begreifen, anstatt dich so zu benehmen, als wäre dein Hirn mit Eichenbrettern vernagelt? Athols Sohn, der sein Haar und seine Augen und seinen Blick - «
    »Nein!« rief Tristan scharf.
    Eliards erhobene Faust blieb in der Luft hängen. Morgon senkte sein Gesicht wieder auf seine Knie. Eliard schloß die Augen.
    »Was glaubst du, warum ich so zornig bin?« flüsterte er.
    »Ich weiß es.«
    »Glaubst du? Sogar - sogar nach sechs Monaten noch warte ich darauf, ganz überraschend ihre Stimme zu hören, oder ihn aus der Scheune oder im Abendlicht von den Feldern kommen zu sehen. Und du?
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