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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind
Autoren: Robert Holdstock
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schwebend u n terhalb der Gipfel, ritt auf dem Wind, bre i tete sich über dem Wald aus.
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    Der rhythmische Takt der Pulsatoren, die ein Raumschiff mit Unterschallgeschwindigkeit vorwärtstreiben, das Heulen des St a bilisierungsfeldes, das Kreischen von Metall, das sich im Fahrtwind abkühlt … für Elspeth vertraute, für Darren e r schreckende Geräusche.
    Der Jüngling war bleich unter seinem Pelz und blickte sie angstvoll an; doch da sie nicht floh, blieb er ebenfalls st e hen.
    „Weißt du, was das ist?“ fragte er und erstickte fast an seinen Worten.
    „Ja. Ja, das weiß ich …“
    „Ein Tier? Ein neues Tier …“ Er dachte wohl an die Pr o pheze i ung des Orakels. Neues Tier. Etwas aus den Sümpfen, hatte er sicherlich geglaubt. Doch dieses Flugtier kam nicht aus den Sümpfen des Aeran.
    Das Schiff gelangte gar nicht in ihren Gesichtskreis, so n dern flog auf die Lichtung des crog zu. Am Wechsel des Rhythmus der Maschinen war deutlich zu erkennen, daß es die Fahrt ve r ringerte und zur Landung ansetzte.
    Als es außer Hörweite war, merkte Elspeth, daß sie fast ebenso stark zitterte wie Darren, der zu dem toten Schwar z flügler hinüberging und sich dort stumm und bedrückt ni e derhockte.
    „Davor brauchst du keine Angst zu haben“, rief sie und ging zu ihm. Ich rede ja furchtbaren Unsinn. Wer weiß, was die hier vo r haben.
    Eine fließende Erinnerung an ihre Kindheit: an die wei t läuf i ge Metropole Neu-Anzat auf der Pleidase IV, an das ständige Rumpeln der Raketenschiffe über der Stamme s hauptstadt. An jenen Tag der großen Schmerzen, an die rit u elle Brustamputation, die sie ertragen hatte, unter den O b jektiven der Kameras, ohne einen Wehlaut, ohne eine Träne. An die großen Schiffe, die durch die Wolken gestoßen w a ren und die Invasion in das wüste Land der nördlichen H e misphäre getragen hatten. Vor dem abscheulichen akust i schen Hintergrund dieser röhrenden Schiffe hatte sie zug e sehen, wie ihr Leib auf barbarisch schöne Weise verstü m melt wurde. Wie die blitzenden Juwelen in das rohe Fleisch der Wu n den genäht wurden. Die Hymnen, das Heulen der Raketen, der Ozongeruch, das schreiende, stöhnende, for m lose Geschiebe der Tausende von Stämmen, die in dieser Riesenstadt zusammeng e pfercht waren, tanzend, lachend, die Initiationsrituale der ve r schiedenen ethnischen Gruppen feiernd.
    Sie erinnerte sich an ihre Freunde – so viele Freunde, so viele Tränen …
    Doch als sie versuchte, sich an die Namen, die Gesichter zu eri n nern, merkte sie, daß hierin ihr Gedächtnis versagte; davon war nichts mehr zurückgeblieben; die einzigen Eri n nerungen waren die an das tödliche Gleiten des Operation s messers, das ohrenb e täubende Donnern der Raketen, die feuchten Lippen des Chiru r gen … er schnitt … er schnitt …
    Ihre Freunde waren weg. Die Sekunden vor dem Ritual waren weg. Angestrengt versuchte sie, sich ihr Leben vor der I n itiation ins Gedächtnis zurückzurufen … sie wandte sich von Darren ab und fing an zu schreien. Ihre Schreie hallten durch die Lichtung und wurden von den Resonan z böden der winkenden Blaurinde n bäume durch den Wald getragen. Voller Übe r raschung und Schrecken sah Darren sie an, dann rannte er zu ihr und rief sie laut beim Namen.
    Immer weiter schrie sie. In ihrem Kopf war Leere, Du n kelheit, ein Nichts, das sie jetzt erst erkannte.
    Schiffe.
    Schluchzen.
    Drängen, Starre, Schmerz …
    Doch nichts von dem, was vorher war. Die Vergangenheit en t glitt ihr bereits. Sie wußte, daß es so kommen würde, sie hatte es erwartet; aber daß es wirklich geschah, war ein Schock, den sie nur ertragen konnte, indem sie schrie.
    Als sie zu schluchzen aufhörte, hielt Darren sie noch im Arm. Es war dunkel. Irgend etwas war aus dem Dschungel herausgekrochen und hatte die restlichen Schwarzflügle r stücke g e raubt.

2
     
     
     
    In weiten Windungen erkundete das Fahrzeug die Lan d schaft des Aeran, fädelte sich langsam durch und um den Wald, brach krachend durchs dichte Unterholz, umfuhr za c kige Felsen und stürzte sich, Nase voran, in bitterblaue Flü s se, trieb mit der Strömung abwärts, heftig schaukelnd. Und ständig hielt es scharf Ausschau.
    Es kam aus dem Wasser und stieg das Flußufer an einer Ste l le hinauf, wo behauene Steinpfeiler darauf hinwiesen, daß hier ein alter, nicht mehr benutzter Landungssteg war, primitiv und roh zwar, doch immer noch ein Schutz gegen die kreisende Spirale der Zeit, die tosenden
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