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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind
Autoren: Robert Holdstock
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ten Schwarzflügler an. „Gut. Habt ihr gut gemacht.“
    „Haben wir etwa komisch ausgesehen?“ fragte Elspeth betroffen. Engus lachte, antwortete jedoch nicht. Moir schob die Unterlippe vor und sah ihren Bruder an.
    „Nun?“ fragte Darren mit gespielter Strenge. „Haben wir k o misch ausgesehen?“
    „Kein bißchen“, antwortete Moir.
    „Ihr hättet nicht hinsehen sollen“, murmelte Elspeth. Sie hätte beinahe gesagt, die beiden hätten genauso komisch ausges e hen, aber sie hielt sich zurück.
    Engus und Moir nahmen soviel von dem zerlegten Schwarzflü g ler wie sie tragen konnten und verließen die Lichtung, um zurück in den crog zu gehen. Darren half Elspeth, ihren Schlafschirm etwas zu erweitern, und sie hockte sich ein Wei l chen hinein.
    Der junge Mann band die restlichen Schwarzflüglerstücke auf eine große Platte Rinde. Elspeth hatte vor, für ein paar Stunden in den crog zurückzugehen und sogleich die Tats a che auszunutzen, daß sie ihren ersten Schwarzflügler erlegt hatte und nunmehr berechtigt war, im inneren Kreis der Erdwälle zu sitzen, mit den anderen Initiierten, die nach und nach ins Herz der Siedlung z u rückkehren würden. Dann würde sie mit ihrer Raumfähre auf das im Orbit kreisende Schiff zurückfliegen, ihre Erlebnisse und Entdeckungen au f zeichnen, und dann – ein langes Bad, eine Stunde im San i tätsraum, ein voller Tag Schlaf. Sie war gebissen, zerschu n den, durchgeschüttelt wo r den, zuviel für ein Mädchen und für einen Tag. Jetzt war tak t voller Rückzug angebracht.
    Bei ihren früheren Besuchen dieses Planeten war sie i m mer außerhalb der mächtigen Erdwälle geblieben, in Gesel l schaft von zwei, drei Heranwachsenden, die gerade ihr Selbsterprobung s programm begannen. Hier hatte sie mit Jugendlichen und Erwachsenen gesprochen, hatte ihr Ve r trauen gewonnen, ihr Inte r esse erregt; man hatte ihr sogar erlaubt, die äußere U m grenzung abzuschreiten – das war der Graben zwischen den doppelten Wällen des crog (der D ü nengraben, wie sie es nan n ten). In der ganzen Zeit hatte sie sich die größte Mühe gegeben, bei allem, was sie sah, Hi n weise auf die kulturelle Bedeutung aufzuschnappen. Abg e sehen von ein paar Zusätzen und Auslassungen war die K o lonie auf dem Aeran nichts Gering e res als die vollkommene Rekapitulation einer bestimmten Steinzeitkultur des Plan e ten Erde, zum mindesten hinsichtlich des Gräberbaus und der Ste i nornamentik dieser Kultur. Und diese Runen, diese Symbole waren faszinierend. Sie hatte de r gleichen in Irland gesehen, auf dem zeitlosen Antlitz der Ste i ne bewahrt, und sie hatte sich gefragt, was sie bedeuteten. Doch die Phant a sie ist der schlimmste Feind der Vernunft, und so war ihr nichts geblieben als der Schmerz des Nichtverstehenkö n nens. Hier aber lebten sie wieder, waren lebendige Symbole einer lebendigen Kultur. Sie mußte einfach herausbeko m men, was sie bedeuteten und was hier geschehen war … Aber die ganze Zeit hatte sie es mit einem einzigen Pr o blem zu tun gehabt: Namen und Bedeutungen mit Formen und Bildern zu verknüpfen. In über vierzig Stunden hatte sie nur si e ben Runen interpretieren können; und wenn Austin recht hatte, dann blieb ihr nicht mehr viel Zeit.
    Und es gab ein Symbol, das sie nie gesehen hatte und das bis heute noch nicht einmal erwähnt worden war: den Er d wind. Da r ren war ihr irgendwie bedrückt vorgekommen, als er vom Er d wind sprach, bedrückt, weil sie ihn nicht verstand. Er schien es kaum glauben zu können, daß jemand mit diesem Symbol nicht völlig vertraut war. Er hatte ihr gesagt, es sei das Symbol, das ihnen das Leben gegeben ha t te. Offenbar ein Erd- oder Mutte r leibssymbol. Doch ebenso offensichtlich war es für die Aerani etwas von überragender Wichtigkeit. Ihre nächste Aufgabe mußte es sein, dieses Symbol zu ergründen.
    Bei ihrem Plänemachen hatte sie gar nicht bemerkt, daß Darren vor ihrem Schlupf stand und nach Süden zum Hi m mel empo r blickte.
    „Fertig?“ fragte sie. (Ob er etwa böse war, weil sie ihm nicht geholfen hatte?)
    „Still. Horch!“
    Elspeth kroch hinaus und stand auf. Sofort hörte sie es – den Ton, der ihn beunruhigte. Ein jaulender, heulender Ton, sehr weit weg – aber er kam näher.
    Sie schaute durch das Blätterdach, das in diesem Teil des Waldes nicht sehr dicht war, in den grauen Himmel, wo sp i ralige Wolken über dem Dschungel wirbelten, von den Seen bis hoch hinauf zu den schneebedeckten Bergen. Der Ton hielt sich
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