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Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch

Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch

Titel: Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
Autoren: Kendra Leigh Castle
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jemand mit seinem minderwertigen Blut normalerweise erwarten konnte. Sie hatte ihn in den inneren Kreis ihrer Vertrauten aufgenommen, wo man noch nie zuvor jemanden seiner Abstammung geduldet hatte. Wobei die anderen ihn nur äußerst widerwillig duldeten, und so hatte er schon früh gelernt, sich die Informationen, die er brauchte, notfalls auch durch Täuschungsmanöver zu besorgen. Dennoch – die Tatsache, dass er einen direkten Telefondraht zu einer Vampirkönigin hatte, konnte ihn, zumindest im Moment, nicht dafür entschädigen, dass er allein war. Wieder einmal. Und hungrig auf eine Art, die er irgendwie befriedigen musste.
    Arsinöe hob bereits nach dem ersten Klingeln ab. Ihr freundlicher Tonfall konnte ihre Erbitterung nicht verschleiern, und ihm stellten sich die Haare an Armen und Nacken auf. Er würde sehr vorsichtig vorgehen müssen.
    Diese Frau war eine Naturgewalt. Und wenn sie in Wut geriet, konnte sie alles und jeden zerstören, der ihren Weg kreuzte.
    »Tynan. Ich nehme an, du willst mir von einem weiteren ereignislosen Abenteuer berichten?«
    Ihre Stimme war ein sanftes Schnurren, und Tynan konnte sich gut vorstellen, wie sie sich auf ihrer Chaiselongue zurücklehnte, die mit Kajal umrandeten Augen zusammenkniff und mit den langen roten Nägeln auf dem Stoff herumtrommelte. Auf ihre Art war sie immer nett zu ihm gewesen, auch wenn er oft genug miterlebt hatte, wie brutal sie sein konnte. Ohne das ging es nicht, wenn man Herrscherin der größten Vampirdynastie sein wollte. Aber in letzter Zeit hatte er eine Veränderung bei ihr gespürt, Anspannung und kaum verhüllte Wut, die er den Morden zuschrieb und ihrer Unfähigkeit, sie aufzuhalten. Ty hoffte, das würde sich ändern, jetzt, wo er Lily entdeckt hatte … falls sie tatsächlich eine Seherin war.
    Eigentlich hätte er in diesem Punkt ganz zuversichtlich sein können – wäre da nicht diese seltsame kleine Verzierung auf ihrer Haut gewesen.
    »Diesmal nicht«, erwiderte er, trat auf den Bürgersteig und machte sich auf den Weg in die hell erleuchtete Innenstadt. Er ging jetzt ein wenig langsamer, weil er hier, wo keine Menschen unterwegs waren, ungestörter reden konnte. Dieses Gespräch war nicht für andere Ohren bestimmt.
    »Erzähl.« Sofort klang ihre Stimme anders, äußerst interessiert und gleichzeitig fast schon verzweifelt. Ty fragte sich, was seit ihrem letzten Gespräch alles passiert sein mochte. Vermutlich hatte es weitere Tote gegeben. Ty konnte kein großes Mitleid empfinden. Den meisten Ptolemy hätte er nicht mal näherkommen wollen, wenn sie keinen großen Bogen um ihn gemacht hätten. Und das taten sie, weil sein Geschlecht dafür bekannt war, dass es eiskalte Mörder hervorbrachte. Die Cait Sith waren Vampire niedrigster Rangordnung, gnadenlose Jäger ohne Anführer und ohne Skrupel, was ihnen eine Aura der Unnahbarkeit verlieh. Ty war das nur recht. Blaublütler waren ein nervtötender Haufen mit ausgeprägtem Besitzstandsdenken, dem es Spaß machte, auf andere hinabzusehen – auf Promenadenmischungen wie ihn.
    »Es gibt hier eine Frau«, fuhr Ty leise fort. »Ich kann ihre Gedanken nicht lesen. Ich höre nicht das Geringste, und Ihr wisst ja, dass ich das sonst sehr gut kann.«
    »Schön und gut, aber hat sie seherische Fähigkeiten?«
    Der aggressive Ton, in dem sie das sagte, verwunderte ihn. Eigentlich hatte er mit ein paar anerkennenden Worten für seine monatelange Suche gerechnet. Andererseits – die Königin hatte sich seit dem Mulo sehr verändert. Vielleicht , dachte Ty frustriert, wird das jetzt immer so bleiben.
    Vielleicht war sie aber auch immer schon so, und du hast es nur nicht sehen wollen.
    Er schob die verräterischen Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch.
    »Da bin ich mir noch nicht sicher«, gab er widerstrebend zu, froh, so weit außerhalb der Reichweite von Arsinöes gefährlichen Klauen zu sein. »Aber eine wie sie habe ich bisher noch nie gefunden.« Wieder musste er an das seltsame Mal an Lilys Hals denken, und beinahe hätte er es Arsinöe gegenüber erwähnt. Doch irgendetwas hielt ihn zurück. Vor seinem geistigen Auge tauchte Lilys unschuldiges, offenes Gesicht mit den geschlossenen Augen und den einladend geöffneten Lippen auf. Einen kurzen Moment lang verspürte Ty das Bedürfnis, sie zu beschützen, als würde ein alter, bislang unbekannter Instinkt in ihm erwachen.
    Ein Instinkt, der einen Vampir wie ihn das Leben kosten konnte.
    Daher hielt er den Mund.
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