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Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch

Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch

Titel: Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
Autoren: Kendra Leigh Castle
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Schritte einen Blick über die Schulter.
    Der fast volle Mond hing hoch über ihr am Nachthimmel, und die Luft war noch immer mit all den Gerüchen getränkt, die sie eben noch so genossen hatte. Doch ihr Vergnügen war jenem eindringlichen Instinkt gewichen, der Menschen über Millionen Jahre hinweg das Leben auf der Erde ermöglicht hatte: Flucht.
    »He, alles in Ordnung?«
    Den leisen Aufschrei konnte sie einfach nicht unterdrücken, zu plötzlich war der Fremde vor ihr aufgetaucht.
    Er hob die Hände und zog die Augenbrauen hoch, als wolle er zeigen, dass er genauso erschrocken war wie sie. »Oh. Bitte, nicht schreien. Ich bin kein Geist oder irgend so was. Du kannst ruhig weiteratmen.« Eine seiner Augenbrauen glitt noch weiter nach oben. »Bitte?«
    Seine Stimme klang sowohl besorgt als auch amüsiert, und so wagte sie es, vorsichtig wieder einzuatmen. Dennoch schaute sie sich rasch um, um ihre Fluchtmöglichkeiten abzuschätzen.
    »Schau, es tut mir leid«, fuhr der Mann fort und lenkte damit Lilys Aufmerksamkeit wieder zurück auf sich. »Ich musste da unbedingt mal raus. Zu viele Leute, nicht genug Geister, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Ich … ja.« Lily war sich noch immer nicht ganz schlüssig, wie sie mit der Situation umgehen sollte. War er ebenfalls da drin gewesen? Sie war sich nicht sicher … Es waren eine Menge Leute gewesen, und nicht alle waren zur gleichen Zeit eingetroffen. Möglich war es also. Aber als sie ihn sich genauer ansah, war sie sofort überzeugt, dass sie sich jemanden wie ihn bestimmt gemerkt hätte.
    »Fangen wir noch mal von vorn an«, schlug er vor.
    Seine leise Stimme war tief und rau, und jetzt fiel ihr auch sein singender Tonfall auf. Konnte gut sein, dass er Schotte war.
    Er streckte ihr die Hand hin. »Ich bin Tynan MacGillivray.«
    Viel schottischer konnte ein Name kaum sein. Lily zögerte den Bruchteil einer Sekunde, bevor ihr ausgeprägtes Gespür für Höflichkeit die Oberhand gewann. Zögernd legte sie ihre Hand in seine.
    »Ich heiße Lily. Lily Quinn«, erwiderte sie. Seine Hand fühlte sich überraschend kühl und samten an. Doch jetzt wurde sie rasch warm, genau wie ihr selbst auf einmal ganz warm wurde, weil ihr plötzlich auffiel, wie unglaublich gut Tynan MacGillivray aussah.
    Schön ist er nicht , dachte sie. Das Wort passte nicht zu ihm, obwohl manche Leute ihn sicher als schön bezeichnet hätten. Er war eher … bezwingend. Sie musterte das scharf geschnittene, kantige Gesicht mit der langen, geraden Nase und den dunklen, auffälligen Augenbrauen. Sein Mund war das Einzige, was auf eine gewisse Weichheit hindeutete, und seine volle Unterlippe war so einladend, dass Lily ihr mehr Aufmerksamkeit schenkte, als unter diesen Umständen angebracht war. Seine Haut war sehr hell, fast schon bleich, was seine seltsame Anziehungskraft allerdings eher noch verstärkte, genau wie seine ein wenig zotteligen langen dunkelbraunen Haare, die er hinter die Ohren gestrichen hatte.
    Am meisten aber faszinierten sie seine Augen. Sie waren hellgrau und glänzten silbern im Mondlicht. Tynan beobachtete sie, ohne zu blinzeln. Sie hätte ihm gern geglaubt, dass er ihr nichts Böses wollte. Aber die Intensität, die in seinem Blick lag, beunruhigte sie. Ich sollte abhauen , dachte Lily. Sie fühlte sich wie ein Reh, das den Geruch eines Raubtiers wittert.
    Aber sein Blick hielt sie gefangen, und es gelang ihr nicht, wegzusehen. Als er, ohne ihre Hand loszulassen, einen Schritt näher auf sie zutrat, schnappte sie zitternd nach Luft.
    Nein , dachte sie, aber ihre Beine weigerten sich zu gehorchen. Und gleich der nächste Gedanke war: Ja.
    »Lily«, sagte er, und das klang unglaublich sinnlich. »Was für ein schöner Name. Und so passend.«
    Noch nie hatte jemand ihren Namen so ausgesprochen, so, als würde er ihn sich genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Tief in ihrem Bauch entwickelte sich ein Verlangen, unerwartet, unerwünscht, aber auch unleugbar. Sie überlegte verzweifelt, was sie sagen sollte, um diesen seltsamen Bann zu brechen, aber ihr fiel nichts ein. Es gab nur noch diesen düsteren Fremden. Alles andere schien zu verblassen, wurde unwichtig.
    »Du zitterst ja«, sagte er. »Du solltest bei dieser Kälte nicht ganz allein hier draußen sein.«
    »Nein, ich … vermutlich hast du recht«, murmelte sie, ein wenig überrascht, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, wie sehr sie zitterte. Kalt war ihr mit Sicherheit nicht mehr. Und aus irgendeinem Grund war es
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