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Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Titel: Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Autoren: Monika Thamm
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da jeder Fensterbogen zugemauert worden war. In der Mitte des Saals stand, einem kalten, toten Herzen gleich, ein Thron aus Onyx. Im Verhältnis zu allen anderen Gegenständen in dem Saal war er riesengroß. Über ihm befand sich eine gläserne Kuppel, die mit schwarzen Stoffbahnen verhängt worden war. Das Licht des Tages konnte man hier nur erahnen.
    Der kleine Mann schluckte. Noch hatte er seinen Gebieter nicht entdeckt. Vorsichtig ging er weiter. »Mein Herr?«, stieß er unbeholfen und viel zu leise hervor. Keine Antwort.
    »Mein Herr?«, versuchte er es lauter. Seine verzerrte, helle Stimme schallte von den Wänden und dem Deckengewölbe zurück. Er schüttelte sich. Die kleinen Härchen auf seiner Haut stellten sich auf. Langsam zweifelte er daran, dass sich sein Herr und Meister überhaupt hier aufhielt. Da vernahm er schwere, schlurfende Schritte. Ihm stockte der Atem. Unerwartet nah verspürte er einen warmen Lufthauch von hinten über seinen Körper streichen. Er schluckte. Ein zweiter, noch wärmerer und noch stärkerer Lufthauch überflutete ihn. Ohne den Kopf zu bewegen, wendete er den Blick so weit wie möglich nach hinten. Das Weiß in seinen Augen erstrahlte hell. Ein erneuter schwerer Schritt war zu hören, an ihm vorbei und weiter fort. Ein schuppenbewehrter Körper schob sich in sein Blickfeld und glitt zum Thron. Der kleine Mann merkte jetzt erst, dass er die Luft angehalten hatte. Eilig atmete er aus. Sein Herr war anwesend.
    Fast geräuschlos wandte sich das mächtige Wesen um sich selbst und glitt auf seinen Thron. Kleine Rauchschwaden drangen aus seinen Nüstern, tiefschwarze Pupillen musterten den kleinen Boten aufmerksam. Dieser fühlte sich von dem Schweigen fast erdrückt, dann erbarmte sich sein Gebieter. »Was gibt es, Düstersteinkobold? Sprich!«
    Die Stimme donnerte wie ein Orkan. Der Angesprochene zuckte zusammen. Ja, was war es, was ihn hierher und somit in Lebensgefahr gebracht hatte? Was war es doch gleich, was er berichten sollte?
    »Mein Clanführer schickt mich, mein Herr. Ich soll Euch ausrichten, dass die alte Schamanin eine ungewöhnliche Schwingung im magischen Gefüge wahrgenommen hat.«
    `So ist es gut´, dachte sich der Düstersteinkobold, ` ruhig die Botschaft überbringen und dann schnell gehen. Das verlängert mein Leben.´
    Die Nachricht war ausgesprochen, und mit ein wenig Glück würde er den Saal lebend verlassen können. Das schafften die meisten Boten mit schlechten Neuigkeiten nicht. Aber war seine Nachricht denn eine schlechte Neuigkeit? Die riesige Kreatur blickte ihn reglos an und machte keine Anstalten, ihn zu entlassen. Im Gegenteil, ruckartig schnellte der schuppige, nachtschwarze Körper mit einer Wendigkeit hoch, die man ihm bei seiner Größe nicht zugetraut hätte.
    »Die Schamanin? Die Runenhexe der Düstersteinkobolde lässt das ausrichten?«, fragte sein Herr zischend. Eine lange, gespaltete Zunge war für wenige Augenblicke sichtbar. Der Bote zog unwillkürlich den Kopf ein und begann am ganzen Körper zu zittern. Wenn man es genau betrachtete, war er – ein normal ausgewachsener Mann seines Clans – so groß wie eine einzelne Kralle an der Klaue seines Gebieters.
    »Ja, mein Herr!«, bestätigte er eifrig. »Mein Clanführer meinte, dass die Runenhexe ganz aufgeregt gewesen sei. Solche Schwingung seien ihr seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr untergekommen. Es sei ein deutliches Zeichen dafür, dass jemand zwischen den Welten reist.« Er stockte kurz. »Das sagt zumindest mein Clanführer.«
    »Zwischen den Welten reisen … « Eine krallenbewehrte Klaue klammerte sich um die steinerne Armlehne, doch dann lockerte sich der Griff. Der mächtige Körper entspannte sich und sank zurück in den Thron.
    »Gut, kleiner Kobold. Kehre zurück zu deinem Clanführer und sage ihm, dass ich ihn sehen will. Ich habe eine ganz besondere Aufgabe für ihn.«
    Der kleine Mann lächelte erleichtert, verneigte sich eifrig und ging rückwärts aus dem Saal, ohne jedoch zu vergessen, seine Verbeugung noch mehrfach zu wiederholen. Sein Gebieter blieb alleine in dem überdimensionalen Thronsaal zurück. Ein dünnes Lächeln stahl sich auf die breiten, schwarzen Lefzen und entblößte rasiermesserscharfe Zähne von der Länge eines menschlichen Unterarms. »Zwischen den Welten«, wiederholte er kaum hörbar. »Wer wird wohl dazu fähig sein?« Sein schwarzer Blick verriet, dass er eine feste Vorstellung von der Antwort darauf hatte.

    v v v v v
    Es hämmerte in
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