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Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Titel: Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Autoren: Monika Thamm
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war gut 1,85 m groß, und nussbraunes Haar hing ihm zottelig in die Stirn. Seine Kleidung – eine enge Wildlederweste, ein darunter liegendes, weit geschnittenes Baumwollhemd und Wildlederhosen, die in stabil aussehenden Lederstiefeln endeten – war vollkommen in schwarz gehalten. Wohlgeformte Muskeln zeichneten sich unter den Ärmeln ab. Die Finsternis, die er damit zur Schau trug, bildete einen starken Kontrast zu seiner hellen Haut. Alles in allem war er jedoch ein sehr ansehnlicher Geselle, der nicht viel älter als sie sein konnte.
    Er räusperte sich. »Mein Name ist Nirvan, und ich bin gekommen, um dich zu holen.«
    Mina war wie versteinert. Was sollte sie antworten? Sollte sie fortlaufen? Nein, in ihren Träumen war dies nie von Erfolg gekrönt gewesen, immer hatte es an der Wurzel über dem Abgrund geendet.
    »Ich glaube nicht, dass ich …«, sie zögerte kurz, bevor sie selbstsicherer weitersprach: »Ich will nicht mit dir gehen. Ich kenne dich ja nicht einmal. Abgesehen davon verstehe ich nicht, was hier geschieht!« Ihre Zunge lag so schwer in ihrem Mund, dass sie nicht weitersprechen wollte.
    Nirvan zog verwundert die linke Augenbraue hoch. »Sie meinte aber, dass du ohne Widerstand mitkommen würdest. Abgesehen davon kann ich dich auch ohne dein Einverständnis mitnehmen, wenn es sein muss. Ich habe Kräfte, die dir keine Wahl lassen werden, wenn du darauf bestehst.«
    Der Tonfall gefiel ihr nicht. Lag da eine Drohung in seiner Stimme? Nein, es war eher eine Feststellung, als ob er es gewohnt war, Menschen gegen ihren Willen zu verschleppen.
    »Wen meinst du denn mit sie ?«
    »Meine Herrin natürlich, die weiße Regentin.« Er blickte sich misstrauisch um. »Wir sollten gehen. Ich weiß nicht, wie lange ich meine Fähigkeiten hier noch wirken lassen kann. Abgesehen davon scheinst du zu frieren.«
    »Es ist Juni, wie kann ich da frieren?«, fragte Mina aus reinem Protest und versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken.
    Nirvan machte ein amüsiertes Gesicht. »Die hier ehemals vorherrschende Jahreszeit ist meiner Macht gleichgültig. Wenn ich es will, dann schneit es auch im August und im Winter erblühen die Narzissen. Das Beste, das ich jedoch hier mit meinen Kräften erschaffen konnte, ist diese etwas unfreundlich geratene Landschaft. Und darin wollen wir deinen zarten Körper ja nicht allzu lange belassen, oder? Nachher nimmt er noch Schaden und ich bekomme Ärger.«
    »Wohin willst du mich bringen?«, fragte Mina. »Komm jetzt, mit der Zeit wirst du es verstehen«, sagte er energischer und ergriff ihre Hand. Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er sie auf die Füße. Er ließ sie los, drehte ihr den Rücken zu und ging mit ruhigen Schritten davon. Unsicher stolperte Mina ihm barfüßig hinterher. Tausend Widerworte sprangen ihr im Kopf umher, doch keines bekam sie zu fassen. Etwas lenkte sie gegen ihren Willen, lähmte ihre Zunge und ihren Verstand. So einfach wollte sie es ihm aber nicht machen. Mit zunehmender Entschlossenheit wehrte sie sich gegen den Sog des Fremden. Er schien es zu bemerken, seufzte und blieb stehen. »Gut, junge Dame. Das Weltentor ist nur eine begrenzte Zeit geöffnet, und wir müssen uns wirklich beeilen. Du hast ja nicht die geringste Ahnung, welche Kräfte wir hier in Bewegung gesetzt haben, um dich zu holen. Also stell dich nicht so stur und mache mir die Arbeit ein wenig leichter.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er eine Hand auf Minas Stirn und murmelte ein paar unverständliche Worte. Sie klangen merkwürdig fremd in ihren Ohren, als ob sie sich in einem hallenden Saal befinden würde, dann war da nichts mehr. Von einer Sekunde auf die andere war ihr Geist klar und leer, völlig leer. Keine Widerworte, keine Gegenwehr und keine Fragen mehr, nicht einmal ein Funken eines eigenen Willens. Ab da lief sie treu neben dem Fremden her. Er beschleunigte seine Schritte. Die zerklüftete Landschaft verschwand wieder in der Ewigkeit, und die normalen Häuser und menschenleeren Straßen von Minas Heimatdorf wurden sichtbar. Selbst das drohende Grollen der Wassermassen in der Tiefe der Schlucht war verklungen. Niemand war auf der Straße, der sie hätte sehen können. Niemand war da, der Mina hätte helfen können, und wenn ihr Geist nicht so leergefegt gewesen wäre, hätte sie wohl panische Angst gehabt.
    Nirvan wurde langsamer. Direkt vor ihnen bildete sich ein heller Lichtkegel, der immer breiter wurde, bis er zu einer Art Tor geworden war. Mina sah das Licht, dachte aber
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