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Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Titel: Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Autoren: Monika Thamm
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Janice Schneider verschwendete. Janice war aus der Sicht von Minas Eltern kein guter Umgang für sie. Was für eine Zukunft sollte die Freundschaft schon haben?
    Auf dem Weg zur verglasten Haustür warf sie noch kurz einen Blick auf das zuletzt von ihrem Vater erhaltene Geburtstagsgeschenk: ein neues Mini Cooper Cabrio in Lightning Blue Metallic – ihre Lieblingsfarbe. Der Wagen stand unter dem Carport und glänzte, als ob der Lack den ganzen Tag lang poliert worden wäre. Mina schmunzelte verlegen und trat zur Haustür, steckte den Schlüssel leise ins Schloss und drehte ihn vorsichtig. Langsam schlich sie die Marmortreppe hinauf in den ersten Stock. Dort lag ihr Bereich: ein Schlafzimmer, ein kleines Arbeitszimmer und ein eigenes Badezimmer. Sie trat in das Schlafzimmer und zog die Vorhänge zu. In ihrem Kopf schossen viele Gedanken durcheinander, wie sie es so oft taten. Aber so war sie eben. Janice sagte ihr ständig, dass sie viel zu viel über Gott und die Welt nachdachte und sich stattdessen lieber – als schönes Mädchen, das sie ja schließlich war – mit Jungs beschäftigen sollte. Mina enthielt sich meistens einer Antwort. Wer brauchte schon Jungs, wenn man eine wirklich gute Freundin hatte?
    Sie glitt lautlos ins Bad. Kurz darauf lag sie mit einem Pyjama bekleidet im Bett. In Gedanken hörte sie noch, wie sie Janice von ihrem Traum erzählte. Dem Traum, der in den letzten Nächten jedes Mal auf sie wartete, wenn sie einschlief, über sie kam und sie in seinen Fängen hielt. Sie erwartete nicht einmal mehr, dass sie etwas anderes träumen würde.
    Widerwillig, aber erschöpft, schlief sie ein.

    Mina kniete vor dem Fabelwesen nieder, Tränen liefen ihr über die Wangen. Der Anblick des Einhorns war so fesselnd, dass er ihr schon fast körperlichen Schmerz bereitete. Kein Wort war stark genug, um diese Schönheit zu beschreiben. Langsam, fast unmerklich, streckte sie die Hand aus. Sie wollte dem Tier über die Nüstern fahren, doch da grollte es hinter ihr. Etwas geschah … wieder einmal.
    Sie drehte sich ruckartig um. Die ganze Landschaft hatte sich verändert. Nichts erinnerte mehr an die grüne Wiese hinter dem elterlichen Haus, auf der sie in Kindertagen so oft gespielt hatte. Zwar waren die Wiese und der an der Seite entlangplätschernde Bach noch vorhanden, doch hier gab es nichts Friedvolles mehr. Das schmale Bächlein, das sie normalerweise einfach aus dem Stand heraus überspringen konnte, war einer unüberwindbaren Schlucht gewichen, an dessen Grund ein reißender Fluss zwischen spitzen Felsen dahinrauschte. Die jungen Birken, die den Bach ansonsten schweigsam links und rechts bewachten, waren zu uralten, knorrigen Bäumen verzerrt, deren Stämme ein ausgewachsener Mann nicht hätte umgreifen können. Aus der gepflegten Graslandschaft war ein unzugängliches, unebenes Gelände geworden, das von Dornenbüschen und spitz zulaufenden Steinbrocken übersät war. Von Minas Haus und dem restlichen Dorf war nichts mehr zu sehen.
    Mina wandte sich wieder zu dem Fabelwesen, doch es war verschwunden. Sie war alleine. »Nein, nicht schon wieder!«, brüllte sie in die schallende Leere ihres Traumes hinein. »Ich will zurück nach Hause! Ich gehöre nicht hierher!« Doch es kam keine Antwort, und einen Weg zurück sah sie auch nicht.
    Sie fühlte sich beobachtet. Angst griff nach ihrem Herzen, raubte ihr den Atem. Sie lief los, weg vom Abgrund, weg von dem Ort, wo ihr Elternhaus hätte stehen müssen.
    Auf einmal stand eine schemenhafte Gestalt vor ihr. Sie erkannte kein Gesicht, doch der Umriss gehörte zweifelsfrei zu einem Mann. Ohne den Fremden weiter zu beachten, schlug sie wie ein Hase einen Haken und lief in die andere Richtung. Doch nach wenigen Metern stand die schattenhafte Gestalt wieder vor ihr. Wie konnte der Mann sich so schnell bewegen? Hatte sie ihn rennen sehen? Nein. Erneut wechselte sie die Richtung, und erneut stand er kurz darauf vor ihr und versperrte den Weg. Minas Angst steigerte sich zur Panik, und sie sah keinen anderen Ausweg mehr. Sie atmete noch einmal tief durch und lief dann wieder los, weg von ihrem Verfolger. Ihre Schritte hämmerten in den nassen Untergrund, und sie nahm allen Mut und alle Kraft zusammen, als sie sich zu einem verzweifelten Sprung abstieß.
    Eigentlich wusste sie, dass sie die andere Seite der Schlucht nicht erreichen konnte, hatte es in ihren Träumen noch nie geschafft, aber ihr Herz befahl ihr, es dennoch zu versuchen. Warum auch nicht? Vielleicht
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