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ePub: Drachenhaut (German Edition)

ePub: Drachenhaut (German Edition)

Titel: ePub: Drachenhaut (German Edition)
Autoren: Frances G. Hill
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voller Zähne. Ich erkenne ledrige Schwingen und spitze Dornen, klauenbewehrte Fänge wie die eines riesigen Raubvogels, Schuppen, die schimmern wie flüssiges Gold und das Rot des Sonnenuntergangs ‒ ein Anblick, der gleichzeitig schrecklich und schön ist. Das riesige Tier zwängt sich vollends ins Zimmer. Sein Geruch ist metallisch und würzig zugleich, ledrig und salzig und hinterlässt einen Geschmack nach Sturm und Blitzen auf der Zunge.
    Mein Vater drängt sich gegen die Wand, aber ich verspüre keine Angst. Er beugt sich schützend über mich und ruft eine Warnung.
    Dann kommen die fremden Männer durch die Tür. Die ersten beiden prallen zurück, ich höre erschreckte Rufe. Aber die Nachdrängenden schieben die ersten weiter ins Zimmer, und dann sind sie überall. Blitzende Messer, Dolche, Schwerter. Vermummte Gesichter. Dunkle Kleider, Farben der Nacht. Ich schreie, und die Hand meines Vaters erstickt den Schrei. Er duckt sich mit mir hinter das Ungetüm, das nun seine Schwingen ausbreitet, fauchend wie eine riesige Katze, u nd seinen Feueratem in einem brüllenden, blendenden Strom gegen die Eindringlinge schickt.
    Ich höre die schrecklichen Schreie der Männer, die in die Flammen geraten. Mein Vater drückt mein Gesicht gegen seine Brust, er hält mir die Ohren zu, aber ich höre trotzdem immer noch das Schreien, das Brüllen der Flammen, das laute Klingen der Messer, die auf die Schuppen des Drachen treffen.
    Und dann höre ich einen Laut, der mein Blut zu Eis gerinnen lässt, einen Laut, den ich nie vergessen werde, solange ich auch leben mag: den Schrei des Drachen, der, tödlich getroffen von einem magisch verstärkten Schwert, seine Flügel ausbreitet und sie im vergeblichen Versuch aufzufliegen donnernd gegen die Wände schlägt.
    Er schreit wie ein Mensch, und mein Vater schreit mit ihm, als sei auch er von der Waffe getroffen worden.
    Dann umzingeln die Männer den Drachen, sie stoßen ihre Dolche und Schwerter in seinen Bauch, seine Flanken. Heißes Blut, heißer noch als kochendes Wasser, spritzt aus den klaffenden Wunden und versengt uns, die unter seinem mächtigen Leib kauern. Mein Vater, immer noch schreiend, legt mich auf den Boden und stürzt dem tödlich verwundeten Geschöpf zu Hilfe.
    Ich kann nicht mehr sehen, was weiter geschieht, aber ich höre, höre alles. Und das Blut des Drachen fließt, sprüht, tropft über meine Haut, versengt sie, verbrennt sie. Schmerz und Angst sind so groß, dass ich zu sterben glaube.
    Ich wache auf und mein Atem geht schnell. Ich hechele, als wäre ich gerannt. Mein Gesicht ist nass von Tränen und Schweiß. Ich liege in meinem Bett und ein sanfter Luftzug kühlt meine erhitzten Schläfen, fächelt über meinen Körper. Mein Zittern hört auf, und ich b licke auf den Traumwächter, der sich langsam über meinem Kopf dreht. Im Garten singt eine Nachtigall ihr süßes Lied. Keine Dämonen mehr in dieser Nacht.
    Seelenbruder, was bedeutet dieser Traum? Warum träume ich ihn wieder und wieder? Ich bitte dich: Hilf mir, ihn zu deuten!

    Das Mädchen saß an dem zierlichen Schreibtisch und führte das Schreibgerät mit geübten Zügen übers Papier, unterbrach den Fluss seiner Bewegungen nur, wenn es die Feder eintunkte und abstrich, um sogleich weiterzuschreiben.
    Sein Blick war ernst und konzentriert, es wirkte vollkommen versunken in sein Tun, aber als die Frau, die soeben ins Gemach getreten war, sich leise räusperte, stockte die Feder weder, noch zuckte sie. Gleichmäßig weiterschreibend sagte das Mädchen: »Ja, Ajja? Was gibt es?«
    Die Angesprochene näherte sich dem Tisch und strich mit einer unbeholfenen Handbewegung über den Kopf des Mädchens. Die wehrte die Liebkosung ungeduldig ab. »Lass doch«, sagte sie. »Was ist denn, Ajja?«
    Die ältere Frau, in der äußeren Erscheinung eine Bedienstete, aber von Haltung und Gesicht, Farbe und Bewegungen her offensichtlich dem Wüstenvolk entstammend, legte die Hände vor der Brust zusammen und sagte: »Lilya, mein Täubchen, Licht meiner Augen. Du hast geweint, ich sehe es.«
    Das Mädchen strich die Feder ab, legte sie beiseite und wandte sich der Dienerin zu. »Mir geht es gut«, sagte sie. »Mach dirdoch nicht immer solche Sorgen. Ich habe schlecht geträumt, aber nun bin ich wach.« Sie lächelte die Dienerin an.
    Ajja hockte sich vor sie hin, nahm ihre Hände und rieb sie fürsorglich zwischen den ihren. »Du hast so kalte Finger, mein Honigtröpfchen. Es tut dir nicht wohl, hier im dumpfen
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