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ePub: Drachenhaut (German Edition)

ePub: Drachenhaut (German Edition)

Titel: ePub: Drachenhaut (German Edition)
Autoren: Frances G. Hill
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niedergeschlagenen Augen.
    Lilya lächelte. So unverschämt ihr Blick vorhin gewesen war, so demütig zeigte sie sich jetzt. Ajja schien ihr wohl etwas dazu ins Ohr geflüstert zu haben. Ihr altes Kindermädchen legte großen Wert darauf, dass die Dienerinnen sich Lilya gegenüber nicht unehrerbietig oder frech aufführten.
    »Ist der neue Küchenjunge dein Verwandter, Hennu?« Lilya steckte das Tuch fest und schlüpfte in ihre bestickten Pantoffeln.
    »Nein, Herrin. Yani ist nur ein Junge aus meinem Dorf.«
    Lilya nickte uninteressiert. Warum hatte sie nach einem Sklavenjungen gefragt, der aus irgendeinem Wüstendorf stammte? Sie hegte keine Sympathie für das Wüstenvolk. Niemand tat das. Die Wüstenleute waren dreckig, dumm und rückständig, nicht besser als Vieh. Sie lungerten als Bettler in den Straßen der Stadt herum oder trieben ihre Geschäfte auf dem Basar, und wer ihnen zu nahe kam, lief Gefahr, bestohlen und betrogen zu werden. Sierochen nicht gut und konnten weder lesen noch schreiben oder sich irgendwie benehmen.
    Ohne die Sklavin weiter zu beachten, ging Lilya zur Tür. »Mein Mantel«, befahl sie, und das Mädchen eilte mit dem seidenen Umhang herbei, legte ihn um ihre Schultern und ordnete die weite Kapuze so, dass Lilyas Gesicht in ihrem Schatten lag. Lilya wartete, bis Hennu die Tür öffnete, und schritt dann hinaus.
    Das Abendessen im großen Gartenzimmer war der Zeitpunkt des Tages, an dem die ganze Familie des Begs zusammenkam. Kobads Hauptfrau Katayun thronte am Kopf des Frauentisches und sorgte mit strengem Blick dafür, dass vor allem die jüngeren Frauen und Mädchen sich ihrem Rang entsprechend zurückhaltend benahmen und den Älteren gebührenden Respekt erwiesen.
    Lilya saß an einem der kleinen Tische am Ende des Raumes, zusammen mit ihren Cousinen und den beiden Frauen ihres jüngsten Onkels, von denen die eine kaum älter war als Lilya. Katayuns strenger Blick war angenehm weit weg, und selbst, wenn er einmal wie ein Dolch herüberfuhr, weil eins der Mädchen zu laut lachte, hatte das doch keine unangenehmen Folgen. Eigentlich hätten die Abendessen in der lachenden, durcheinanderschwatzenden Gesellschaft der gleichaltrigen Mädchen eine angenehme und entspannende Angelegenheit sein müssen, aber Lilya war an jedem Abend froh, wenn Katayun in die Hände klatschte, die Diener die Tische wegbrachten und Lilya sich wieder in ihr Zimmer flüchten konnte.
    Sie hielt den Blick starr auf ihre Finger geheftet, die eine Orange schälten. Das nicht sonderlich gedämpfte Getuschel zwischen ihren Cousinen Deyazad und Parviz drehte sich um Lilya: wiesie aussah, wie sie sich gab, wie hässlich und unfreundlich sie war, wie dumm und frech. Lilya presste die Lippen zusammen und hörte, so gut es eben ging, weg. Sie kannte jedes dieser bösen Worte nur zu gut. Sie war dunkel wie ein Wüstenmädchen, ihre Eltern waren tot, und sie war auf die Wohltaten angewiesen, die ihr Großvater ihr zukommen ließ. Natürlich war sie ebenso Kobads Enkelin wie Deyazad und Parviz ‒ aber durch den Tod ihrer Eltern war sie gleichzeitig auch vogelfrei und auf seltsame Weise in den Rang einer Bittstellerin und armen Verwandten hinabgestuft worden. Eine dunkelhäutige Waise mit hässlichen Narben, die sich noch dazu weigerte, unterwürfig und demütig zu sein, sondern es sich herausnahm, sich als ebenbürtiges Mitglied des Kobad’schen Haushaltes aufzuführen. Und der Beg schien sie zu alledem auch noch zu bevorzugen, denn sie war die einzige seiner Enkelinnen, der er seine kostbare Zeit schenkte, die er unterrichtete und mit in sein geheiligtes Arbeitszimmer nahm.
    Das Getuschel und Gekicher wandte sich anderen Themen zu. Da war ein junger Janitscharen-Leutnant, der gelegentlich zu einem ihrer Onkel zu Besuch kam und in den sich alle jüngeren weiblichen Mitglieder des Haushaltes verguckt zu haben schienen. Um ihn und seinen prächtigen schwarzen Schnurrbart drehte sich das Gespräch jetzt, und Lilya wagte es, sich zu entspannen und den Blick von ihrem Teller zu heben.
    Tante Gulzar sah sie an und lächelte. Sie war eine der jüngsten Töchter des Begs, und im Gegensatz zu ihren älteren Schwestern begegnete sie Lilya immer freundlich. Sie nickte Lilya zu und beugte sich zu ihr. »Magst du die kandierten Feigen probieren?«, sagte sie und reichte Lilya den Teller.
    Lilya bedankte sich, erwiderte das Lächeln ihrer Tante von ganzem Herzen und nahm sich zwei der Feigen, obwohl sie wusste, dass sie ihr viel zu süß
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