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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge
Autoren: Alison Goodman
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spähte durch eine Bretterritze auf die vorüberziehende Landschaft und sah überschwemmte Reisterrassen und dass die Ernte vernichtet war.
    »Mylady?«
    Ryko tauchte am Fußende meines Lagers auf und schwankte, als der Wagen in eine ausgefahrene Spurrinne sackte. Einen Moment lang war ich noch immer in dem Fischerhaus und hatte die Hand auf seinem unter großer Mühe schlagenden Herzen. Dann verschwand diese Erinnerung und ich war wieder im Wagen mit Ryko, der putzmunter und lächelnd vor mir stand. Ich erschauerte und mein Atem stockte kurz: Wir hatten ihn gerettet, der Spiegeldrache und ich. Doch war er wirklich ganz geheilt? Gerade wollte ich ihn danach fragen, da brach ein schwindelerregender Schwall von Bildern über mich herein: das goldene Lied, die zehn beraubten Drachen, die Schlacht.
    Lord Ido.
    »Er hat sich wieder in mein Bewusstsein geschlichen!«, rief ich mit trocken krächzender Stimme und stützte mich auf die Ellbogen. »Ido war wieder da!«
    Und auch Dillon, jedenfalls für einen Augenblick. Da war ich mir sicher, obwohl ich ihn nicht deutlich gesehen hatte. Doch ich spürte noch seine Angst in mir.
    Ryko kam näher, wobei er seine rechte Seite mehr belastete. »Was meint Ihr damit, Mylady?«
    »Ido hat die anderen Drachen zurückgeschlagen.« Der Widerhall unserer geistigen Vereinigung durchschauerte mich und meine Kopfschmerzen wurden stärker. Dieser Kerl hatte wirklich ungeheure Macht.
    »Lord Ido war nicht im Dorf, Mylady.«
    »Nein, er hat sich wieder einmal in mein Bewusstsein geschlichen.« Ryko zuckte zusammen, als ich ihn am Arm packte. »Er war in meinem Kopf. Und ich musste ihn gewähren lassen. Verstehst du? Ich musste ihn gewähren lassen, sonst wären wir gestorben, oder –«
    »In Eurem Kopf? Wie meint Ihr das?« Ryko trat einen Schritt zurück und das plötzliche Misstrauen in seiner Stimme ließ mich stutzen. »Ido ist ganz sicher tot.«
    »Nein.« Ich schloss die Augen und spürte wieder das Gewicht der Fußeisen und den quälenden Schmerz wund gepeitschter Haut. »Sethon hält ihn gefangen. Ich habe durch seine Augen geschaut, und ich glaube, er stirbt.« Ich empfand einen leisen Anflug von Mitleid.
    »Ein gerechtes Ende«, keuchte Ryko.
    »Nur wenn er zwanzigmal sterben könnte«, erwiderte ich rasch. Ido verdiente mein Mitleid nicht.
    Ich setzte mich auf und ein Schwindelgefühl erfasste mich, sodass ich Halt suchen musste und mich an der seitlichen Holzvertäfelung abstützte.
    »Ryko, ist sie wach? Geht es ihr gut?« Es war Delas Stimme, die da von draußen hereindrang.
    Die große Vorderluke glitt auf und ich sah die schwer arbeitenden Hinterteile zweier angeschirrter Ochsen. Eine vertraute Gestalt ging neben ihnen her und führte sie: Solly, dessen knollenförmiges Gesicht durch die verschorften Schnitte und Schürfwunden noch grotesker wirkte. Er verneigte sich lächelnd. Dann beugte Dela sich durch die Luke und nahm mir die Sicht. Sie war nicht mehr als Fischer verkleidet, sondern trug die schwarze Kappe und das blaue, hochgeschlossene Gewand eines erfolgreichen Kaufmanns.
    »Ist alles in Ordnung mit Euch, Eona?« Sie betrachtete prüfend mein Gesicht. »Wir dachten schon, Ihr würdet gar nicht mehr aufwachen. Wie fühlt Ihr Euch?«
    Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen und spürte plötzlich, wie ausgetrocknet ich war. »Durstig. Und krank. Der Kopf tut mir weh. Wie lange war ich bewusstlos?«
    Sie warf Ryko einen Seitenblick zu. Beide wirkten sehr beunruhigt. »Zwei Tage«, erwiderte sie.
    »Zwei Tage?« Ich versuchte, in ihren Gesichtern zu lesen. »Wirklich?«
    Sie nickten beide, aber keiner von ihnen sagte noch etwas. Nur der knirschende Wagen und die Rufe, mit denen Solly die Ochsen antrieb, unterbrachen das unbehagliche Schweigen. Ryko hielt mir eine Wasserflasche aus Keramik hin, das Gesicht tief zerfurcht.
    Ich zog den Korken heraus und trank einen Schluck. Die kalte Flüssigkeit tat meiner Kehle wohl, doch das kleine bisschen Wasser versetzte meinen Magen in Aufruhr. Seit dem kaiserlichen Bankett – und das war schon ewig her – hatte ich mich nicht mehr so elend gefühlt.
    Ich gab ihm die Flasche zurück und kämpfte gegen den Brechreiz an. »Jemand wird mir erzählen müssen, was geschehen ist.«
    »Erinnert Ihr Euch denn nicht mehr?« Dela blickte mich besorgt an. »Ihr habt Ryko geheilt – und dann ist alles in die Luft gegangen. Ein Sturm und ein Wolkenbruch haben das ganze Haus weggerissen. Die ganze Klippe.«
    »Und das Dorf«, sagte Ryko
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