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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gesichtslosen Prediger aufgewacht war, hatte sich die Welt verändert, auf eine entsetzliche, angstmachende Weise. Aus Gut war Schlecht geworden, aus Freund Feind, aus Schlecht Gut und aus Feind Freund. Die alten Werte galten nicht mehr, und sie hatten vielleicht niemals wirklich gegolten. Aber er hatte erst sterben und nach fast einem Menschenleben wieder auferstehen müssen, um das zu begreifen. Möglicherweise war
er
es auch, der sich verändert hatte, viel tiefer, als er jetzt schon spürte.
    Er verscheuchte auch diesen Gedanken — das, dachte er voller bitterem Spott, war etwas, was er wirklich gelernt hatte, in den letzten Wochen und Monaten: die Augen vor der Wahrheit zu verschließen und sie einfach wegzulügen —, gelangte auf der anderen Seite des Hofes wieder in die Festung und näherte sich Drasks Quartier.
    Die beiden Satai, die vor der massiven Eisentür des fensterlosen Raumes Wache hielten, traten respektvoll beiseite, als sie ihn erkannten, und wieder spürte Skar einen raschen, schmerzhaften Stich in der Brust, als er ihre Blicke bemerkte. Es war nur Respekt, den er in den Augen der Männer las. Und Furcht.
    Furcht vor seinem schwarzen Mantel mit dem verschlungenen fünfzackigen Stern auf dem Rücken und dem rubingeschmückten
Tschekal
an seiner Seite. Auch diese Männer waren keine Satai mehr, dachte er, so wenig, wie der Novize, der ihn hier heruntergerufen hatte. Sie waren es nie geworden, und er würde es nie werden.
    Skar betrat den Raum hinter der Eisentür und fand sich in einer sehr kleinen, von einer einzelnen Fackel nur düster erhellten Kammer wieder. Auch hier gab es Wächter — einen weiteren Satai, und bei ihm den größten und muskulösesten Quorrl, den er jemals gesehen hatte: ein Gigant von mehr als acht Fuß Höhe und einer Schulterbreite, die schlichtweg absurd erschien. Gemessen an der Art, in der Del Drask bewachen ließ, dachte Skar, mußte er noch immer gehörigen Respekt vor dem Magier haben. Er nickte dem Quorrl grüßend zu, wandte sich — noch immer, ohne ein Wort zu sagen — an den Satai und gab ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, die Tür zu Drasks eigentlichem Verlies zu öffnen. Der Satai gehorchte, aber er tat es ohne irgendwelche Hast; seine Bewegungen waren von jener nachlässigen Selbstverständlichkeit, die den wirklichen Krieger verriet, kein dummer Junge, wie der Novize, und auch kein viel zu eilig ausgebildeter Raufbold, wie die beiden, die vor der Tür Wache standen. Ein absurdes Gefühl von Stolz überkam Skar, als er zusah, wie er einen großen Schlüssel von seinem Gürtel löste und damit nacheinander die drei Schlösser entriegelte, welche die Tür zu Drasks eigentlichem Gefängnis sicherten.
    Gebückt trat er hindurch, wartete, bis sich die Tür hinter ihm wieder geschlossen und das Klicken der drei Schlösser verraten hatte, daß er nun ebenfalls gefangen war, und wandte sich dann zu Drask um.
    Der Magier saß vornübergebeugt auf einem Stuhl, die Arme auf den Knien aufgestützt und mit dünnen Ketten aus unzerreißbarem Sternenstahl gebunden. Neben ihm hockte ein Quorrlkrieger, der in der Schlacht das Augenlicht verloren hatte. Er war angekettet wie Drask, und er würde sterben wie Drask, sobald sie diese Festung verließen, vielleicht schon eher, sollte der Magier seinen Verletzungen vorher erliegen, was wahrscheinlich war. Zwischen seinen Knien stand eine Schale mit einer farblosen Flüssigkeit, von der er Drask alle zwei oder drei Stunden einige Schlucke einflößte. Eine Anzahl blauer Flecke und Quetschungen im Gesicht des alten Magiers bewies, daß dies nicht immer freiwillig geschah. Skar empfand weder Mitleid noch Triumph bei diesem Anblick.
    Er räusperte sich lautstark, um Drasks Aufmerksamkeit zu erregen. Es dauerte eine Weile, bis der alte Mann aufsah, und dann noch einmal Sekunden, ehe in seinen trüb gewordenen Augen so etwas wie Erkennen aufglomm.
    Auch das blinde Gesicht des Quorrl wandte sich Skar zu; eine vierfingrige Schuppenhand tastete nach dem Schwert, das von seiner Hüfte hing. Skar nannte seinen Namen, und der Quorrl entspannte sich wieder.
    »Du bist gekommen«, murmelte Drask. »Das ist gut. Ich danke dir, Satai.«
    Etwas in seiner Stimme ließ Skar schaudern. Drasks Stimme war niemals angenehm gewesen, so wie nichts an ihm jemals
angenehm
gewesen war. Skar hatte ihn nur als bösen, unerbittlichen alten Mann in Erinnerung, dem jegliche menschliche Regung abging und der nicht einmal wirklich grausam, sondern
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