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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und half Kiina auf die Füße, und dann ging er langsam auf Titch zu, der reglos am Fuße des steinernen Thronsessels lag. Zögernd und mit klopfendem Herzen kniete er neben ihm nieder, streckte die Hand aus und versuchte Titch herumzudrehen, aber seine Kraft reichte nicht. »Hilf mir«, forderte er Del auf. Del gehorchte, aber selbst zu zweit brauchten sie ihre ganze Kraft, um den Quorrl in seiner zentnerschweren Rüstung auf den Rücken zu wälzen. Fast behutsam löste Skar seinen Helm und legte ihn neben sich zu Boden.
    Der Quorrl lebte. Seine Augen waren weit geöffnet und starr, aber es war nicht die matte Starre des Todes, die sie lähmte. Er stöhnte leise. Seine rechte Hand öffnete sich. Zerbrochenes Glas und Blut und Tropfen einer wasserklaren hellen Flüssigkeit regneten zu Boden.
    »Faß es nicht an!« warnte Del erschrocken, aber Skar lächelte nur.
    »Es ist nicht mehr gefährlich«, beruhigte er ihn, hob vorsichtig Titchs Arm hoch und streifte den gepanzerten Handschuh ab. Seine Hand war gebrochen, und Skar wußte, daß sie nicht heilen würde, ganz einfach, weil die Wunden, die der
Daij-Djan
schlug, niemals heilten.
    »Du hast... gewonnen, Satai«, flüsterte der Quorrl. »Du hattest recht und ich unrecht. Du hast es besiegt.«
    »Nein«, antwortete Skar leise. »Es hat sich selbst besiegt, Titch. Es hat sich am Ende selber verzehrt.«
    »Aber du hast es geschlagen«, murmelte der Quorrl. Seine Augen waren noch immer starr. Sie schienen Dinge zu sehen, die Skar nicht einmal erahnen konnte. »Es tut mir leid. Ich habe... alles falsch gemacht.«
    Skar war wahrscheinlich der einzige, der die Worte des Quorrl
wirklich
verstand. »Es war nicht deine Schuld«, sagte er. »Es hat uns alle getäuscht, sogar mich.« Er überlegte einen Moment, versuchte Worte für Dinge zu finden, die sich mit Worten nicht beschreiben ließen. »Es... hat von unserem Haß und unserer Furcht gelebt, Titch, aber es hat uns gleichzeitig auch damit gefüttert.«
Wie Schlachtvieh,
fügte er in Gedanken hinzu, auch wenn er gleichzeitig wußte, daß dieser Vergleich nicht ganz stimmte. Die Kreatur war fremd, unendlich fremd und düster, aber gleichzeitig war sie auch ein Teil von ihm gewesen, von ihm und Del und Kiina und Titch, ein Teil jedes denkenden Wesens, sein Haß und seine negativen Kräfte, die durch die Magie der
Sternengeborenen
nur Gestalt angenommen hatte.
    Titch hob stöhnend seine blutige Hand und betrachtete die winzigen Kupfer- und Glassplitter, die sich in sein Fleisch gegraben hatten. »Ich habe es versucht«, flüsterte er. »Du mußt mir glauben, daß ich es versucht habe, Skar. Aber er... er hat es vernichtet. Er hat es nur berührt, und es dadurch getötet. Ich habe... alles falsch gemacht. Ich habe versagt.«
    Skar schauderte. Er war nicht sicher, ob er wirklich ermessen konnte, was der Verlust des heiligen Wassers für den Quorrl bedeutete. Es war mehr als nur eine Reliquie gewesen. Der Quorrl war bereit gewesen, seinen Glauben zu opfern, um die Bestie zu vernichten. »Nein, Titch«, widersprach er, »das hast du nicht. So wenig wie ich.« Er lächelte matt.
    »Weißt du noch, was du mir gestern gesagt hast, unten bei den Felsen?« fragte er. »Du und ich, wir sind uns viel ähnlicher, als ich bisher geahnt habe. Wir sind beide viel zu lange Mensch gewesen, als daß wir noch zurück könnten.«
    »Gewährst du mir eine letzte Gnade, Satai?« fragte der Quorrl. Skar nickte. »Was immer du willst.«
    »Dann töte mich«, bat Titch. »Gib mir einen ehrenvollen Tod. Verrate niemandem, daß ich versagt habe.«
    »Das hast du nicht«, erwiderte Skar. »Und ich werde dich auch nicht töten, Titch. Ich brauche dich noch.«
    »Wer braucht einen Quorrl, der kein Quorrl mehr ist?« fragte Titch bitter.
    »Vielleicht ein Satai, der kein Satai mehr ist«, antwortete Skar. Und da war noch etwas, was er Titch sagen mußte, was er ihm längst hätte sagen sollen, aber er fand keine passende Überleitung, und so sprach er es einfach so aus, wie es war: »Da ist noch etwas, was du wissen solltest, Titch. Dein Vater... Trash.« Titch blickte ihn fragend an. Ein neuer Schmerz glomm in seinen Augen auf, und plötzlich hatte Skar Mühe weiterzusprechen. »Ich habe ihn nicht getötet«, versicherte er. »Es war der
Daij-Djan.
Aber ich verspreche dir, daß ich diese Bestie vernichten werde. Und ich will, daß du mir dabei hilfst.«
    »Niemand kann den
Daij-Djan
vernichten«, erklärte Titch, aber er klang nicht mehr ganz überzeugt,
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