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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ehe er den Fuß aufsetzte, um nur ja nicht mit der schrecklichen Masse in Berührung zu kommen. Er brauchte Minuten, um die wenigen Schritte bis zur Tür des Thronsaales zu gehen.
    Sie stand offen. Rechts und links von ihr lagen fast ein Dutzend der schwarzen Kokons, einige zuckend, in unruhiger, verdauender Bewegung, andere aufgeplatzt und leer. Skar zögerte, packte instinktiv sein Schwert fester und trat in den Thronsaal hinein.
    Und in seiner Mitte, auf der kleinen gemauerten Erhöhung, auf der sich noch vor Sonderfrist Dels Thron erhoben hatte, hockte das
Ding.
    Es war Skar unmöglich zu sagen, was es war. Es war groß, viel größer als ein Mensch, und es hatte einen Körper, aber er konnte ihn einfach nicht erkennen. Es war nicht so, daß er sich in ständiger Veränderung befunden hätte, wie das
Netz,
aber es glich nichts, was Skar jemals gesehen hatte, und sein Blick glitt von ihm ab wie ein Lichtstrahl von der polierten Oberfläche eines Spiegels. Es war groß, es war schwarz, und es dachte, das war alles, was er erkannte. Es starrte ihn an, obwohl es keine Augen oder andere sichtbaren Sinnesorgane zu haben schien. Es starrte ihn an, lauernd, auf irgend etwas wartend, von dem er nicht wußte, was es war. Riesig und dräuend hing es über ihm, gehalten von Dutzenden armdicker, schwarzer Taue, die sich zwischen der Decke und den Wänden spannten, wie eine apokalyptische Spinne, aber tausendmal fremder. Vielleicht, dachte Skar halb betäubt, war es nicht einmal wirklich
böse.
Aber so fremd, daß es keinerlei Kommunikation zwischen ihnen geben konnte.
    Erst als er das Stöhnen hörte, gelang es ihm, sich aus dem Bann der augenlosen Blicke zu lösen und sich halb herumzudrehen. Kiina stand neben dem Fenster und starrte ihn aus schreckgeweiteten Augen an, und neben ihr zwei Satai, aber sie waren nicht mehr sie selbst: Über ihre Gesichter und Hände lief ein feines, sacht pulsierendes Netz haardünner schwarzer Fäden, und in ihren Augen war nichts Menschliches mehr. Mit einem Male glaubte Skar auch zu wissen, was die aufgeplatzten leeren Kokonhüllen draußen auf dem Gang bedeuteten. Erst dann sah er Kiina an, und er konnte ein erleichtertes Aufatmen trotz allem nicht mehr unterdrücken, als er erkannte, daß sie noch frei war.
    Das Netz hatte sie noch nicht berührt, und in ihren Augen war Angst, ein fast tödliches Entsetzen, nicht die polierte Härte wie in den Blicken der beiden Satai. Obwohl er wußte, daß er sterben würde, war er für einen Moment nichts als erleichtert. Für einen Moment, für einen furchtbaren Moment, draußen auf dem Gang, war er überzeugt gewesen, daß
sie
es gewesen war.
    »Skar —« stöhnte Kiina, wurde aber sofort von einem der Männer am Weitersprechen gehindert.
    Skar machte eine beruhigende Handbewegung, und der Mann trat wieder zurück. Kiina wimmerte vor Angst. »Nicht«, bat Skar. »Bleib still. Vielleicht...« Er sprach nicht weiter, sondern drehte sich mühsam zu der entsetzlichen Kreatur im Zentrum des Netzes herum. Seine Hände begannen zu zittern. Er schluckte bitteren Speichel hinunter, ehe es ihm gelang zu reden. »Läßt du sie gehen, wenn ich ... freiwillig zu dir komme?«
ZUSTIMMUNG.
Es waren keine Worte. Keine Gedankenübertragung, wie er sie bei Drask kennengelernt hatte. Ein Teil seiner Seele war bereits mit dem Ungeheuer verbunden. Vielleicht war er das immer gewesen. Und er wußte, daß es die Wahrheit sprach. Kiina war unwichtig; es spielte keine Rolle, ob sie lebte oder starb, frei oder seine Gefangene war.
Er
war das Opfer, der Preis, um den dieser ganze Kampf überhaupt ausgetragen worden war. Skar wußte plötzlich, wieso es ihm gelungen war, von der Mauer zu entkommen, als einziger zu entkommen, und wieso die Kreatur ihm erlaubt hatte, bis hierher vorzudringen. Es wollte
ihn,
das, was
in
ihm war, seit dem Tage seiner Geburt.
    Und aus irgendeinem Grunde war es wichtig, daß er es ihm freiwillig gab.
    »Nein, Skar!« keuchte Kiina. »Tu das nicht! Es wird dich töten!«
    Skar hörte gar nicht hin. Langsam senkte er sein Schwert, schob die Klinge in die Scheide zurück und machte einen Schritt auf die Kreatur zu. Etwas wie eine körperlose eisige Hand berührte seine Seele und tastete nach seinen Gedanken.
    »Und Del?«
    ZÖGERN. DANN ZUSTIMMUNG, GEPAART MIT UNWESENHEIT. ES KONNTE NICHT ALLE KENNEN, DIE ES ZU EINEM TEIL SEINER SELBST GEMACHT HATTE: WENN ER NOCH LEBT. JA.
    Skar machte einen weiteren Schritt und blieb abermals
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