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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Novize schüttelte den Kopf, aber erst nach einer Sekunde des Schweigens, fast als müsse er diesen Namen erst mit dem sieben Fuß großen Riesen in der schwarzgoldenen Robe des Kriegsherren der Satai verbinden. Skar rief sich in Erinnerung zurück, daß kaum jemand Dels Namen kannte.
    »Nein«, führ der Junge schließlich fort. »Drask. Er... er verlangt nach Euch, Herr.«
    »Drask?« Skar war überrascht, aber nur für einen Moment, und auch ein ganz kleines bißchen beunruhigt; ohne indes genau sagen zu können, warum. Es war nicht so, daß er die Begegnung mit dem Magier fürchtete. Im Gegenteil — früher oder später wäre er ohnehin zu ihm gegangen. Es überraschte ihn nur ein wenig, daß Drask von sich aus den Wunsch geäußert hatte, ihn zu sehen. Nach allem, was er ihm angetan hatte, mußte er damit rechnen, daß Skar ihn kurzerhand tötete, im gleichen Moment, in dem —
    Aber nein, verbesserte er sich in Gedanken. Jeder
normale
Mensch hätte damit gerechnet. Drask nicht. Er war nicht
normal,
wenn diese Einschätzung auch keineswegs im Sinne von geistesgestört oder gar verrückt zu bewerten war. Aber ein
normaler
Mensch war er ganz sicher nicht. Vielleicht war er nicht einmal ein Mensch.
    Er nickte, trat aus dem Mantel aus schwarzem Rauch heraus und schlug auch den zweiten, wirklichen Mantel aus ebenfalls schwarzem Stoff zurück, der seine Schultern umgab. Der Blick des Novizen huschte mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Bewunderung über den schwarzen Zeremonienmantel, als er an ihm vorüberging.
    Skar unterdrückte ein Lächeln. Er verstand den Jungen, wahrscheinlich viel besser, als dieser ahnte. Auch er war einmal so jung wie er gewesen, und auch er hatte einmal mit klopfendem Herzen und angehaltenem Atem dagestanden und den schwarzen Mantel eines Hohen Satai angestarrt; und auch er hatte sich nichts mehr gewünscht, als ihn eines Tages selbst zu tragen.
    Aber damals hatte er noch nicht gewußt, wie schwer er war.
    Er verscheuchte auch diesen Gedanken, eilte die gewundene Treppe hinunter und trat sechs Stockwerke tiefer auf den Hof der Festung hinaus.
    Die Illusion, allein zu sein, zerplatzte wie eine Seifenblase, kaum daß er den ersten Schritt aus der Tür getan hatte. Für einen Augenblick wurde er zu einem Gleichen unter Gleichen, denn der Hof war voller Krieger, weit über hundert Männer, die fast alle die schwarzen Mäntel der Satai trugen, und darüber hinaus eine nicht einmal zu schätzende Anzahl schuppiger, großer Gestalten, von denen keine der anderen glich.
    Wie immer, wenn Skar sich zwischen den Quorrl bewegte, überkam ihn ein sonderbares Gefühl der Unruhe, das er sich selber nicht ganz erklären konnte. Es war mehr, weit mehr als die instinktive Abneigung, welche die meisten Menschen beim Anblick der schuppigen Giganten aus dem Norden empfanden, mehr als die angeborene Scheu, einem denkenden Individuum gegenüberzustehen, das kein Mensch war, und doch sehr viel mehr als ein Tier. Mehr als die Verunsicherung, die jeden überfiel beim Anblick der flachen Fischgesichter, die unfähig waren, Gefühle und Empfindungen widerzuspiegeln. Was er spürte, während er mit raschen Schritten über den zum Heerlager umfunktionierten Hof eilte, wobei ihn die völlig willkürliche Art, in der das Lager der Quorrl-Krieger angelegt war, zu einem absurden Zickzack zwang, das war zu einem Gutteil Schuld, das dumpfe Wissen, in der Vergangenheit zahllose dieser Kreaturen getötet zu haben, ohne dabei mehr zu empfinden als... ja, als eigentlich gar nichts. Er hatte auch Menschen getötet, sehr viele Menschen, denn letztendlich war er ein Krieger, vielleicht der größte Krieger dieses Planeten überhaupt, und er hatte das Leben eines Kriegers geführt, aber das war etwas anderes gewesen.
    Was er spürte, was ihm sofort und unabwendbar das Gefühl des In-die-Enge-getrieben-seins gab, war nichts anderes als ein ganz profanes schlechtes Gewissen, obwohl ihm dieses Wort fast zu banal erschien, um seine Empfindungen wirklich auszudrük-ken. Er hatte Menschen getötet, und Quorrl, aber da
war
ein Unterschied gewesen. Er hatte die Quorrl stets als Tiere gesehen — o ja, als sehr kluge Tiere, Tiere, die sprachen, die aufrecht gingen und Werkzeuge und vor allem Waffen zu handhaben wußten, als verschlagene und sehr gefährliche Gegner, aber letztendlich doch als
Tiere.
    Aber das waren sie nicht.
    Sie waren nicht einmal ihre Feinde.
    Alles ist falsch,
dachte er. Seit er im unterirdischen Tempel der
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