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Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Titel: Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zurück — natürlich wußte er, welchen Weg er nehmen mußte; schließlich war er ihn oft genug gegangen. Für einen Moment schien es ihm schlichtweg lächerlich, daß er vergessen haben sollte, welcher Gang der richtige war!
    Aber er begriff auch, daß etwas mit ihm ganz und gar nicht in Ordnung war. Irgend etwas war mit ihm geschehen, während er schlief — geschehen oder
getan worden —
und wenn er auch nicht wußte was, so mußte er sich vorsehen.
    Rasch, ehe sein Unterbewußtsein Gelegenheit bekam, ihm einen neuen bösen Streich zu spielen, durchquerte er die Halle, bückte sich ganz automatisch unter dem niedrigen Türsturz hindurch und betrat den Gang, an dessen Ende die kleine Felsenkammer lag, in der er zwei Wochen lang gelebt hatte.
    Instinktiv hatte er erwartet, sie leer vorzufinden, aber zu seiner Überraschung standen auf dem Tisch ein mit Wachstuch verschlossener Wasserkrug und eine Schale mit verschrumpelten braunschwarzen Dingern, die einmal Früchte gewesen sein mochte, und einem Laib Brot.
    Das Wasser war schal und trotz des Wachstuches mit einer dünnen, öligen Staubschicht bedeckt. Skar blies sie fort, trank und tauchte seine Fingerspitzen in den Krug, um seine Augen zu benetzen. Dann verschloß er den Krug sorgfältig wieder, streckte sich auf dem steinernen Bett aus und schloß die Augen.
    Er schlief lange und ausgiebig, und es war eine andere Art des Schlafes als die totenähnliche Starre, in die ihn der Trank des Predigers hatte fallen lassen. Diesmal träumte er, und diesmal erinnerte er sich auch hinterher, was er geträumt hatte, wenn es auch im großen und ganzen nichts als krauses Zeug war, das keinen Sinn ergab: Träume, in denen er sich selbst sah, rennend und rennend und rennend, auf der Flucht vor einer Gefahr, die immer ein ganz kleines bißchen schneller war als er, ganz gleich, wie schnell er auch lief, dann wieder gegen ein gesichtsloses Monstrum kämpfend, ein Ding mit dem Körper eines alten Mannes, aber den Kräften eines Titanen. Ein paarmal sah er das Kind, aber irgend etwas stimmte nicht damit. Er wußte nicht was, aber es machte ihm Angst.
    Trotzdem: Als er erwachte, fühlte er sich noch immer müde und benommen, doch auf eine sehr angenehme Art. Eine Weile lag er einfach mit halb geschlossenen Augen da und genoß das Gefühl, ganz allmählich vom Schlaf ins Wachsein hinüberzugleiten. Dann stand er auf, trank den kleinen Wasserrest, der sich noch im Krug befand, und untersuchte zum zweiten Mal den Obstkorb — mit dem gleichen Ergebnis wie beim ersten Mal. Das Obst war so verrottet, daß ihm allein der Geruch schon wieder Übelkeit bereitete.
    Sein Hunger war mittlerweile so quälend geworden, daß er eine der Früchte sogar aufbrach, um vielleicht noch einen kleinen, halbwegs eßbaren Rest zu finden. Aber sie waren verdorben. So gründlich, als lägen sie seit Wochen hier.
    Skar maß diesem Gedanken große Bedeutung zu: Bei der sorgsamen, fast überpräzisen Art der Gesichtslosen Prediger war es eigentlich unvorstellbar, daß sie etwas wie diese Obstschale vergessen sollten; dazu kam, daß der Tempel zwar leer, aber keineswegs fluchtartig verlassen worden war. Er machte eher den Eindruck eines Gebäudes, das von seinen Bewohnern in aller Ruhe geräumt worden war. Skar war fast sicher, daß dieser Krug mit Wasser und die Schale mit verfaultem Obst und steinhart gewordenem Brot alles waren, was er finden würde.
    Und das — zusammen mit der Tatsache, daß sie in
seinem
Gelaß gestanden hatten — konnte eigentlich nur bedeuten, daß beides für ihn zurückgelassen worden war. Aber wenn das stimmte —
wie lange zum Teufel hatte er dann geschlafen?!
    Der Gedanke beunruhigte ihn; weit mehr, als er sich eingestehen wollte. Irgend etwas Entsetzliches mußte geschehen sein, während er unter dem Einfluß der Droge dagelegen hatte...
    Er verscheuchte den Gedanken, trank den letzten Rest Wasser aus seinem Krug und verließ die Kammer. Ganz kurz dachte er noch einmal an das Gefühl, das er beim Erwachen am Tage zuvor gehabt hatte: das Gefühl, nicht allein zu sein. Aber er mußte sich wohl getäuscht haben.
    In den nächsten Stunden durchsuchte er den Tempel der Gesichtslosen Prediger so gründlich, wie er nur konnte, ohne zu riskieren, sich abermals zu verirren. Alles, was er fand, waren Staub und leere Kammern. Die Gesichtslosen Prediger waren fort. So spurlos, als hätte es sie niemals gegeben. Und mit ihnen das Kind. Skar kehrte in die Kammer des Oberpriesters
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