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Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Titel: Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Liege und ließ die Schultern nach vorne sinken. Mühsam hob er den Arm, führ sich mit dem Handballen über die geschlossenen Augen und preßte die Lider so fest zusammen, bis grellgelbe Sterne vor seinen Augen erschienen.
    Dann hob er abermals die Lider.
    Er sah immer noch nicht sehr viel mehr, aber das lag wohl eher daran, daß es einfach nicht viel zu sehen gab: der Raum, in dem er erwacht war, war ein steinerner Würfel mit exakt gleich langen Kanten, und er war vollkommen leer bis auf den altarähnlichen Tisch und ein flaches Wasserbecken, das daneben stand, auf einem steinernen Sockel ruhend und vor so langer Zeit ausgetrocknet, daß sich Staub auf seinem Grund angesammelt hatte. Der gleiche graue Staub hing wie körniger Nebel in der Luft, und als Skar die Füße auf den Boden setzte, spürte er die Kälte, die der Stein ausstrahlte.
    Er hätte nicht kalt sein dürfen. Die Erinnerung, die sich am tiefsten in sein Gedächtnis gegraben hatte, war die an die stickige Wärme, die überall in der unterirdischen Festung der Gesichtslosen Prediger herrschte. Aber der Fels war kalt, und die Luft, die er atmete, brannte in seinen Lungen. Und das bedeutete...
    Etwas in Skar schreckte davor zurück, den Gedanken zu Ende zu denken.
    Lange Zeit saß er einfach so da, dachte an nichts und wartete, daß das Leben in seinen Körper zurückkroch. Es war möglich, dachte er. Er hatte nie davon gehört, aber es
war
möglich — die Gesichtslosen Prediger standen im Ruf, Zauberer zu sein, und wenn Skar auch nicht an Zauberei glaubte, so wußte er zumindest, daß es eine Menge Dinge gab, die vielleicht nichts mit Magie zu tun hatten, im Ergebnis aber ebenso erschreckend waren.
    Und war das, was ihn hierhergebracht hatte, nicht letztlich gerade das gewesen, was man sich über die Gesichtslosen Prediger erzählte?
    Er verschob die Lösung dieses Problems auf später, atmete tief ein und aus und noch einmal ein — und stand auf.
    Seine Fußsohlen begannen zu prickeln. Kälte kroch wie die Berührung einer eisigen Hand in seinen Beinen empor; für einen Moment wurde ihm schwindelig. Aber er hatte sich jetzt schon wieder weit genug in der Gewalt, um das Gefühl niederzukämpfen.
    Vorsichtig, mit halb ausgebreiteten Armen und gespreizten Fingern, um einen eventuellen Sturz abzufangen, machte er einen Schritt, atmete abermals tief durch und machte einen zweiten, dritten, vierten. Es ging besser, als er erwartet hatte. Statt sich schwach zu fühlen, gewann er im Gegenteil mit jedem Schritt an Kraft zurück, als wäre sein Körper eine Maschine, die sehr lange Zeit nicht mehr benutzt worden war, jetzt aber schnell in ihren gewohnten Rhythmus zurückfand.
    Langsam durchquerte er den Raum, blieb unter der einzigen Tür stehen und sah noch einmal zurück, ehe er sie aufstieß. Es gab nichts, was er mitnehmen mußte. Der Raum war leer. Einen Moment lang erinnerte er sich noch an das bizarre Gefühl, nicht allein zu sein. Dann lächelte er — auf dem Boden lag Staub, nicht sehr dick, aber unberührt. Ein Traum. Ein Stück seines Traumes war ihm in die Wirklichkeit gefolgt, um ihn noch einen Moment zu narren. Mehr nicht. Mit einem Ruck wandte er sich um, trat unter der niedrigen Tür hindurch und richtete sich auf der anderen Seite wieder auf.
    Er war in einem Teil des Tempels, den er nicht kannte. Aber das besagt nichts, denn obwohl er fast eine Woche in diesem unterirdischen Labyrinth verbracht hatte, hatten seine Gastgeber doch streng darauf geachtet, daß er sein Quartier nicht verließ, und wenn doch, so nur auf genau festgelegten Wegen, von denen er niemals abgewichen war, ohne sofort freundlich, aber mit großem Nachdruck zurückgeführt zu werden.
    Skar fragte sich allerdings bald, welche Geheimnisse die Gesichtslosen Prediger wohl so sorgsam vor ihm beschützt haben mochten — der Tempel war leer. Er durchquerte ein Dutzend Räume und Hallen, die alle nichts anderes als Staub und Leere enthielten, und irgendwie hatte er das bestimmte Gefühl, daß er auch nichts anderes finden würde, wenn er den ganzen Tempel durchsuchte. Es war sehr still: Die einzigen Laute, die er hörte, waren die Geräusche, die er selbst verursachte; und dann und wann ein dumpfes, schweres Mahlen und Knacken, das ihm immer wieder in Erinnerung brachte, wie viele Tonnen Sand und Gestein sich über seinem Kopf türmten. Sie hatten ihm die Augen verbunden, lange bevor er den Tempel betrat, aber er hatte die Stufen gezählt, als sie ihn in die Tiefe geführt
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