Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Titel: Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Sehr.
    Aber nicht einmal mehr diesen Gedanken dachte er zu Ende.
    Er war nicht allein, und es war dieses Gefühl, das ihn weckte: jemand war bei ihm.
    Skar versuchte die Augen zu öffnen, aber im ersten Moment ging es nicht. Auf seinen Lidern lag ein schwerer, nicht einmal unangenehmer Druck, ein Gefühl wie von weichen Fingern, die sich auf seine Augäpfel preßten, und in seinen Gliedern war jene betäubende Schwere, die von langem Schlaf kündete. Überhaupt hatte er das Gefühl, sehr lange geschlafen zu haben; und sehr, sehr tief. Trotzdem fühlte er sich wohl. Da war nichts von der Benommenheit, dem schlechten Geschmack und dem Druck auf Kopf und Schläfen, der das Erwachen aus zu langem Schlaf normalerweise begleitete; Skar fühlte sich allenfalls ein bißchen matt.
    Und er spürte, daß er nicht allein war.
    Es war ein Gefühl von fast körperlicher Intensität, und es war sehr unangenehm. Wer immer in seiner Nähe war, war nicht sein Freund. Er konnte die Augen noch immer nicht öffnen, denn seine Lider waren vom langen Schlaf verklebt, und er hatte noch nicht den Willen, den kleinen Schmerz in Kauf zu nehmen, den die Überwindung des Widerstandes bedeutet hätte. Aber er spürte, daß etwas da war, und das dieses Etwas auf unangenehme Weise lauernd und bedrohlich zu sein schien.
    Skar lauschte.
    Er hörte...
nichts.
    Um ihn herum war Stille, ein absolutes, fast stofflich wirkendes Schweigen, in dem die einzigen Laute das gleichmäßige schwere Schlagen seines Herzens und seine eigenen Atemzüge waren, und obwohl sein Erinnerungsvermögen noch nicht zurückgekehrt war, war dies doch etwas, worauf er sich besann.
    Die Stille. Die allgegenwärtige, lastende Stille, die in dieser unterirdischen Welt aus quadratischen Räumen und rechteckigen Gängen herrschte. Eine Stille, wie es sie nur im Herzen eines Berges geben konnte, in einer Welt tief unter der Welt. Für einen Moment blitzte dieses Bild vor seinem geistigen Auge auf. Aber vielleicht war es auch genau umgekehrt: Vielleicht implizierte der Kokon aus Schweigen, in den er eingesponnen schien, auch nur diese Vorstellung, und alles war ganz anders.
    Dann kam die erste konkrete Erinnerung:
Er hatte ihn belo-gm.
    Skar wußte nicht,
wer
ihn belogen hatte, geschweige denn
wie.
Trotzdem war dieses Wissen ganz deutlich in ihm, wie etwas von so großer Wichtigkeit, daß es sich unauslöschlich in sein Bewußtsein eingegraben hatte. Das waren drei Tatsachen, die er wußte: Es war still, jemand hatte ihn belogen, und er war nicht allein.
    Aber wenn jemand bei ihm war, warum hörte er dann nichts?
    Er verscheuchte den Gedanken, entspannte sich ganz bewußt und versuchte noch einmal, die Augen zu öffnen. Es tat ein bißchen weh, aber nicht sehr, und dann konnte er sehen.
    Im ersten Moment.
    Dann kam die Übelkeit, warnungslos und hart wie ein Schlag in die Magengrube und so schnell, daß er gerade noch Zeit fand, sich zur Seite zu drehen, ehe er sich übergab; würgend und von krampfartigen, immer schneller kommenden Schmerzen gepeinigt. Das Stechen in seinem Nacken steigerte sich zur Raserei. Er schrie, verschluckte sich an seinem eigenen Erbrochenen und hatte für Sekunden das entsetzliche Gefühl, ersticken zu müssen. Bittere Galle lief in seinen Rachen, und der Geschmack verstärkte die Übelkeit noch.
    Dann, so plötzlich, wie sie gekommen waren, ebbten Schmerzen und Übelkeit wieder ab. Skar ließ sich zurücksinken, hielt sekundenlang den Atem an und wartete darauf, daß seine Eingeweide abermals zu revoltieren begannen. Aber es geschah nicht. So lange er ruhig lag, fühlte er nichts.
    Der Trank,
dachte er. Der Gedanke stand völlig isoliert in seinem Bewußtsein, wie ein Wort, das man auf ein weißes Blatt Papier geschrieben hatte.
    Erst jetzt merkte er, daß er keine Erinnerungen hatte. Dort, wo sie sein sollten, gähnte eine entsetzliche Leere.
    Es war nicht etwa so, daß er das Gedächtnis verloren hätte.
    Sein Bewußtsein war nicht leer. Alles war da, säuberlich geordnet und aufgereiht wie in großen, schon ein bißchen staubig gewordenen Regalen, aber jedesmal, wenn er versuchte, nach einem Teil seiner Erinnerungen zu greifen, war da etwas, das seine Hand beiseite schlug.
    Nein, korrigierte er sich in Gedanken. Auch das war nicht richtig. Er...
    Zum Teufel, es war, als hätte er verlernt, wie man sich erinnerte!
    Aber konnte ein Mensch das
Denken
verlernen?
    Skar stöhnte. Der Laut hallte gebrochen und sonderbar dumpf von den Wänden zurück. Das Echo
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher