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Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Titel: Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wiederholte ihre Warnung, sich nicht zu bewegen.
    Skar spürte kalten Stein im Rücken, ließ sich gegen die Wand sinken und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Er fühlte Blut, das aus seiner aufgeplatzten Lippe quoll, und einen raschen, stechenden Schmerz.
    Als er die Hände herunternahm, geronnen die Schatten vor seinem Blick zu den Umrissen zweier Menschen. Der eine war der Junge, den er verfolgt hatte. Er stand mit gespreizten Beinen da, den Stock, an dem jetzt Blut klebte, mit beiden Fäusten umklammernd und zitternd vor Angst, aber gleichzeitig auch sehr entschlossen.
    Der andere war der einer Frau, und sie war es auch gewesen, die ihn vollends niedergeschlagen hatte, eine Frau von allerhöch-stens fünfundzwanzig Jahren. Sie hockte vor ihm, halb auf ein Knie erhoben, und in ihren Augen stand die gleiche panische Angst, die er schon in denen des Jungen gelesen hatte. Ihre rechte Hand umklammerte den faustgroßen, kantigen Stein, den sie ihm ins Gesicht geschlagen hatte.
    Skar versuchte etwas zu sagen, aber es ging erst, nachdem er einen weiteren Mundvoll Blut ausgespien hatte. Stöhnend hob er die Hand, fuhr sich über Kinn und Lippen und machte Anstalten, sich vollends zu erheben. Sofort hob die Frau den Stein drohend höher, und Skar erstarrte wieder. Aber er sah auch, daß ihre Hand zitterte. Der Ausdruck auf ihren Zügen war Panik, nicht Wildheit.
    »Nimm den Stein herunter«, sagte er mühsam. »Ich bin nicht dein Feind!« Er stöhnte, berührte seine schmerzende Wange mit spitzen Fingern und fügte gepreßt hinzu: »Wenigstens noch nicht.«
    Die Frau — nein, korrigierte sich Skar in Gedanken: das
Mädchen —
zögerte. Ihre Hand begann stärker zu zittern. Der Stein mußte sehr schwer sein. Und wahrscheinlich war sie halb wahnsinnig vor Angst. Aber es war die gleiche Angst, die ihr die Kraft gegeben hatte, ihn niederzuschlagen. Skar begriff plötzlich, daß er einfach Glück gehabt hatte — hätte der Stein seine Schläfe getroffen, statt seines Kiefers, wäre er jetzt wahrscheinlich tot. »Nimm den Stein herunter«, sagte er noch einmal. »Bitte.«
    Das Mädchen zögerte. Skar konnte den lautlosen Kampf, der hinter ihrer Stirn tobte, direkt sehen. Sie war noch immer halb wahnsinnig vor Angst, aber in ihrem Blick war auch die gleiche, vorsichtige Erleichterung zu erkennen wie zuvor in dem des Jungen. Trotzdem senkte sie den Stein nicht. »Wer... wer bist du?« stammelte sie. »Du gehörst nicht... nicht zu ihnen?«
    »Ich habe keine Ahnung, wer
sie
sind«, antwortete Skar gereizt. »Aber ich glaube nicht, daß ich dazu gehöre.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf ihre Hand, die den Stein hielt. »Wie ist es — darf ich aufstehen, oder zertrümmerst du mir den Schädel, wenn ich es versuche?«
    »Glaub ihm nicht, Syrr!« sagte der Junge. Er hatte sich Skar von der anderen Seite genähert und war abermals mit gespreizten Beinen stehengeblieben. Den Stock hielt er nun wirklich wie ein Schwert. Und trotz der Angst, die in seinem Blick flackerte, schien er wild entschlossen zu sein, zuzuschlagen. Wäre der Schmerz in seinem Gesicht etwas weniger heftig gewesen, hätte der Junge ihm wahrscheinlich sogar gefallen.
    »Syrr, so.« Skar richtete sich auf, fuhr sich noch einmal mit dem Handrücken über den Mund und verzog schmerzhaft das Gesicht. Dann deutete er mit einer Kopfbewegung auf den Jungen. »Wer ist das?« fragte er verdrossen. »Dein Sohn?«
    »Mein... mein Bruder«, antwortete Syrr. Ihr Blick flackerte.
    Skar sah, welche Kraftanstrengung es sie kostete, den Stein weiter drohend erhoben zu halten. Ihre freie Hand spielte nervös an dem groben Strick, den sie anstelle eines Gürtels um die Taille trug. Wie die des Jungen waren ihre Hände und die nackten Arme mit einer Unzahl kleiner, zum größten Teil erst halb verheilter Kratzer und Wunden übersät.
    »Und wer bist du?« fragte sie unsicher.
    »Jemand, der dir und diesem Knirps da gleich eine Tracht Prügel verabreicht, wenn du nicht sofort den Stein fallen läßt«, antwortete Skar drohend. Er hatte beinahe Lust, seine Ankündigung in die Tat umzusetzen, denn zu dem pochenden Schmerz in seinem Kiefer gesellte sich nun auch noch Zorn; allerdings wohl eher Zorn auf sich selbst, daß er sich von einem Knaben und einem Mädchen so hatte übertölpeln lassen.
    Syrr wich erschrocken vor ihm zurück, als er auf sie zutrat, und Skar bedauerte seine groben Worte fast sofort wieder. Jetzt, als Skar ihr gegenüberstand, sah er, daß
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