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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seiner Arme an den eisigen Fels zu klammern. Er wollte schon erleichtert aufatmen, als Helth im gleichen Moment zu laufen begann, in dem Skar sein Körpergewicht verlagert und Halt auf der schmalen Steinstufe gefunden hatte. Ein zischender, unmenschlicher Laut drang aus seiner Brust, vielleicht die Art, in der dieses Wesen seine Wut herausschrie. Seine Arme peitschten wie dünne scharfe Waffen herab und hackten nach Skars Gesicht. Skar duckte sich, drohte das Gleichgewicht zu verlieren und warf sich mit einem verzweifelten Ruck herum und zurück.
    Helth' Klaue streifte seine Schulter und riß einen handgroßen Stoffetzen aus seinem Hemd.
    Skar ließ auch den letzten Rest von Vorsicht fahren und lief los. Die Stufen waren wie schmale glatte Spiegel unter seinen Füßen, und der Abgrund zerrte mit unsichtbaren Händen an ihm. Seine rechte Hand, mit der er sich an der Wand abstützte, war nach Sekunden zerschun-den und blutig.
    Vom Deck des Schiffes wehte ein vielstimmiger, entsetzter Schrei zu ihm hinauf. Skar blickte hastig nach hinten und sah, wie Helth gleich einer grotesken vierbeinigen Spinne hinter ihm aus dem Stollen kletterte, die oberste Stufe erreichte und mit traumwandlerischer Sicherheit hinter ihm herstürmte.
    Der Anprall riß ihn von den Füßen.
    Er taumelte, der Boden kippte vor ihm in die Höhe, und das Meer schien wie ein gewaltiges gieriges Maul nach ihm zu schnappen. Die vereiste Steinstufe rutschte unter seinen Stiefeln weg; die Treppe schüttelte ihn ab wie ein lästiges Insekt. Skar griff instinktiv nach hinten, bekam Helth' Arm zu fassen und riß ihn mit sich. Sie stürzten.
    Skar sah das schmale Felsband am Fuße der Wand wie eine steinerne Faust auf sich zurasen, versuchte sich noch im Sturz zu drehen und schloß im letzten Moment die Augen.
    Das Wasser des Hafenbeckens war wie eine Glasscheibe, durch die er aus fünfzig Fuß Höhe hindurchstürzte. Ein grausamer Schlag traf seinen Körper, trieb ihm die Luft aus den Lungen und füllte seinen Mund mit Salzwasser. Er sank wie ein Stein, tief, unglaublich
tief,
schrammte über etwas Hartes, das unter der Wasseroberfläche verborgen gewesen war und fühlte, wie ihn die unsichtbare Faust der Strömung ergriff und wieder nach oben drückte. Er versuchte zu atmen, aber sein Kehlkopf verkrampfte sich, als Salzwasser statt Luft in seine Luftröhre drang. Die Strömung wirbelte ihn herum und hämmerte aus allen Richtungen gleichzeitig mit unsichtbaren Fäusten auf ihn ein, aber sie trug ihn auch weiter nach oben. Er brach durch die Wasseroberfläche, versuchte zu atmen und wurde wieder herabgesogen, ehe er seine Lungen mit Luft hatte füllen können.
    Die Kälte begann ihn zu lähmen. Skar ruderte verzweifelt mit den Armen, bekam irgendwie den Kopf über Wasser und sog gierig die Luft ein, aber er fühlte, wie seine Glieder rasch und beinahe schmerzlos erstarrten. Er hatte nicht mehr die Kraft zu verhindern, daß er wieder mit dem Gesicht unter die Wellen geriet. Er schluckte Wasser. Rote und grüne Ringe begannen vor seinen Augen zu tanzen. Seine Beine waren taub, seine Haut ein Panzer aus Eis, der sich mit phantastischer Schnelligkeit in seinen Körper hineinfraß, das letzte bißchen Kraft aus ihm heraussaugte und ihn tötete.
    Plötzlich war in seinem Inneren Wärme, eine wohltuende, verlok-kende, unglaublich
angenehme
Wärme, die allen Schmerz und jeden Rest von Angst und Verzweiflung davonspülte. Seine Gedanken begannen sich zu verwirren. Es war der Tod. Das Ende. Er wußte es, aber er wehrte sich nicht mehr. Alles, was er fühlte, war ein schwaches Erstaunen darüber, daß es so angenehm war.
    Irgend etwas klatschte neben ihm ins Wasser, tauchte in einer sprudelnden Wolke aus Lufblasen unter und stieß mit einer eleganten Bewegung wieder zu ihm hinauf, aber Skar beachtete es nicht mehr. Er merkte kaum, wie rauhe Hände nach ihm griffen, ihn auf den Rücken drehten und auf das Schiff zuzogen.
    Er verlor nicht das Bewußtsein, aber er versank in einem Dämmerzustand zwischen Wachsein und Koma, in dem er alles, was um ihn herum vorging, weiter wahrnahm, aber nicht in der Lage war, die Eindrücke richtig zu verarbeiten oder gar darauf zu reagieren. Die beiden Matrosen, die ihn aus dem Wasser gefischt hatten, wollten ihn unter Deck tragen, in den hinteren, geheizten Raum des Schiffes, aber Skar wehrte sich dagegen und machte ihnen irgendwie — mit Gesten und Kopfschütteln und leisen, erstickten Lauten — klar, daß er an Deck bleiben wollte,
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