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Entscheidungen

Entscheidungen

Titel: Entscheidungen
Autoren: Marie Hoehne
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mir nur Sorgen", hörte ich ihn murmeln.
    "Wieso?"
    "Es gibt Gerüchte. Xander wurde angeblich in New York gesehen."
    "Woher weißt du das?" Ich hob den Kopf und sah in seine tiefschwarzen Augen. Dunkel erinnerte ich mich daran, dass sie einmal Kornblumenblau gewesen waren. Wie lange war das nun schon her? Es kam mir vor wie Jahrzehnte, doch seitdem waren gerade einmal dreiundzwanzig Monate vergangen. Fast zwei Jahre, seit Sams Leben sich von einem Moment auf den anderen komplett geändert hatte. Und nicht nur seins.
    "Ich hab Kontakte, das weißt du doch. Wir Vampire sind gut organisiert." Er versuchte zu lächeln. Sam sprach so gut wie nie über "seine andere Welt". Ich wusste, dass es sie gab, doch nicht wo und wie sie existierte. Die Vampire lebten direkt unter uns. Sie waren DJs, Barkeeper, Pfleger oder gingen anderen, ganz normalen Tätigkeiten nach. Manche von ihnen blieben im Verborgenen, einige waren fürchterlich, andere wie Sam: friedlich, zuvorkommend, beherrscht - ebenso wie wir Menschen.
    "Und was haben… deine Kontakte erzählt?"
    "Ich bin nicht sicher, wie gut ich ihnen trauen kann. Angeblich arbeitet Xander für einen ziemlich üblen Kerl." Er beobachtete mich genau.
    "Was heißt das?" Ich wusste, dass ich blass geworden war.
    Er zuckte die Schultern. "Das werde ich rausfinden, sobald wir wieder in New York sind."
    "Ich helfe dir."
    "Auf gar keinen Fall." Seine Reaktion fiel heftiger aus, als ich erwartet habe. Als er sah, wie ich zusammenzuckte, fuhr er gleich sanfter fort: "Das geht nicht, Lily. Das ist viel zu gefährlich. Wenn es stimmt, was man sich erzählt, ist das wirklich ein ganz mieser Typ. Du wärst in Gefahr und davon hatten wir in den letzten Monaten ja wohl mehr als genug."
    "Genug für ein ganzes Leben", murmelte ich zustimmend und lehnte mich wieder an ihn. Mit Schrecken dachte ich an Ashleys höhnisches Grinsen, an Philipps leblosen Körper, den brennenden Feuerball auf dem verlassenen Parkplatz.
    Ich schauderte unwillkürlich.
    "Ich pass auf dich auf, Lily." Er legte vorsichtig seinen Finger unter mein Kinn und küsste mich.
    Ich schloss die Augen. "Und du holst Xander zurück?"
    "Ich werde es versuchen."

2. KAPITEL

    E s fiel mir nicht leicht, meiner Familie auf Wiedersehen zu sagen. Die Wochen in Nebraska waren so erholsam gewesen, dass ich nur ungern an das stressige Leben dachte, was mich schon bald wieder in New York erwarten würde. Wie sehr hatte ich mich doch verändert!
    Sam und ich hatten den Nachtflug von Omaha nach New York gebucht. Er hatte bereits eingecheckt, als meine Mom mich fest in ihre Arme zog und mir ein liebevolles "Wir sehen uns" ins Ohr flüsterte. Sie würde mich schon sehr bald wiedersehen. Spätestens zu Thanksgiving plante sie einen Trip in die Stadt, in der sie so viele Jahre ihres Lebens verbracht hatte und die ihr noch immer so sehr fehlte. Auch jetzt noch, wo sie in Parkerville längst ihren Platz gefunden hatte und mit Dotti den kleinen Tante-Emma-Laden im neuen Glanz erstrahlen ließ.
    Caleb starrte desinteressiert auf die große Abflugtafel der Vorhalle, während ich ihn an mich zog und ihn kurz drückte. Er war immerhin schon zehn. Mit zehn Jahren war man für eine emotionale Verabschiedung von der eigenen Schwester eindeutig bereits viel zu cool.
    "Pass auf dich auf, Bruderherz."
    "Ja ja."
    "Ich hab dich auch lieb."
    Er streckte mir die Zunge raus und drehte mir dann den Rücken zu.
    Ich warf einen Blick über seine Schulter, immer darauf bedacht, dass Sam nirgendwo zu sehen war. Meine Familie würde wahrscheinlich einen Schreikrampf bekommen, wenn sie ihn entdeckte. Für sie war Sam tot, und ich hatte keine Ahnung, wie ich damit in Zukunft umgehen sollte.
    "Ruf an, wenn irgendwas ist und unternimm nicht wieder irgendwelche Trips mit irgendwelchen Männern, die ich nicht kenne." Es sollte ein Scherz sein, das wusste ich. Doch mein Vater machte sich Sorgen um mich, seit ich im vergangenen Herbst überraschend mit Sam bei meiner Großmutter in Chicago aufgetaucht war. Noch mehr sorgte er sich allerdings darum, wer wohl der fremde Mann gewesen war, mit dem ich herumgereist war und von dem ihm meine Großmutter natürlich brühwarm erzählt hatte. Nur gut, dass Sam sich seit seiner Verwandlung auch optisch stark verändert hatte.
    "Das kommt nicht mehr vor", murmelte ich entschuldigend und hoffte inständig, dass das auch so war. Schließlich hatte es Sam und mich nicht ganz so freiwillig nach Chicago verschlagen. Wir waren gejagt worden. Nie
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