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Entscheidung in Gretna Green

Entscheidung in Gretna Green

Titel: Entscheidung in Gretna Green
Autoren: DEBORAH HALE
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ihre Anmaßung, ihren Argwohn, ihre Unsicherheit. Und dennoch hatte er nicht aufgehört, sie zu lieben, selbst dann nicht, als sie alles darangesetzt hatte, um ihn von sich zu stoßen.
    Spürte auch er den Unterschied? Bislang hatte sie stets etwas von sich zurückgehalten, aus Angst, etwas zu verschenken, was sie nicht verlieren durfte. Nun gab sie sich vollkommen hin, im Vertrauen darauf, dass er sie annehmen würde mit all ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten.
    Sie genoss die Wärme seiner Hände, die ihren Rücken durch den dünnen Stoff ihres Nachthemdes streichelten. Die köstliche Verheißung seiner Küsse. Küsse, die umso süßer waren, da sie geglaubt hatte, sie für immer verloren zu haben.
    „Wäre ich ein fantasievoller Mann“, raunte er an ihren Lippen, „würde ich behaupten, harte Holzdielen fühlten sich an wie eine weiche Matratze, solange ich dich in den Armen halte.“
    Dabei zog er eine schmerzliche Grimasse. „Hoffentlich kränke ich dich nicht, wenn ich sage, dass dieses Bett nach einem langen Tag im Sattel eine große Verlockung für mich ist.“
    „Gewiss nicht.“ Ihr Lachen klang ein wenig gepresst, als sie von ihm rollte und auf die Beine kam. „Komm, Liebster.“ Sie nahm seine Hände, um ihm aufzuhelfen. „Dies wird die erste Nacht eines Neubeginns für uns sein.“
    „Das gefällt mir ausgesprochen gut.“ Er setzte sich auf die Bettkante und zog die Reitstiefel aus.
    Dann legte er den Frack ab und begann, seine Weste aufzuknöpfen.
    In ihrer freudigen Erwartung auf die bevorstehende Nacht, überhörte Felicity die Schritte im Korridor.
    Die Tür öffnete sich einen Spalt und wurde plötzlich so heftig aufgerissen, dass sie gegen die Wand krachte. Mrs. Merryvale stapfte ins Zimmer.
    „Allmächtiger Herr im Himmel! Was hat das zu bedeuten?“
    Felicity schrie auf.
    Wie eine Rachegöttin stürzte Mrs. Merryvale sich auf Hawthorn und zog ihn am Ohr vom Bett hoch. „Das sollst du mir büßen, elender Schurke, eine hilflose Frau in meinem Haus zu belästigen!“
    „Aua!“ Vergeblich versuchte er, sich aus dem gnadenlosen Griff der Frau zu befreien. „Sie irren sich, Madam. Ich belästige niemand. Sie ist meine … Frau.“
    „Es ist wahr, Mrs. Merryvale“, rief Felicity ängstlich, um Hawthorn eine schlimmere Bestrafung durch die Wirtsfrau zu ersparen. „Mein … Gemahl hörte, dass ich unterwegs krank geworden sei, und eilte zu mir, um mir Beistand zu leisten.“
    „Sie haben mich fast zu Tode erschreckt“, schimpfte Mrs. Merryvale und ließ Hawthorns malträtiertes Ohr los. „Ich hörte ein lautes Geräusch und wollte nachsehen, ob etwas nicht in Ordnung ist.“
    „Vielen Dank für Ihre Mühe.“ Felicity zog ihn wieder zum Bett. „Aber es geht mir schon viel besser, jetzt da mein Ehemann bei mir ist.“
    „Ihr Ehemann?“, knurrte die Wirtsfrau. „Ich dachte, Sie seien Witwe.“
    Felicity konnte sich nicht genau erinnern, was sie der Frau gesagt hatte. „Vielleicht haben Sie mich missverstanden.“
    Mrs. Merryvale wiegte argwöhnisch den Kopf hin und her. „Das kann ich mir nicht denken. Sie müssen sich doch erinnern. Ich fragte Sie, was sich ihr Mann dabei denken würde, Sie über Land fahren zu lassen in Ihrem Zustand …“
    Felicity sprang auf und schob die stämmige Frau unsanft zur Tür. „Ach, ich habe wohl nicht gewusst, was ich rede.“
    „In welchem Zustand?“, fragte Hawthorn.
    Sie tat so, als habe sie ihn nicht gehört und plapperte weiter. „Ich fühle mich wirklich sehr viel besser. Ich schwöre Ihnen, er ist wirklich mein Ehemann. Und wir sind beide schrecklich müde. Wenn Sie also so freundlich wären …“
    „Was für ein Zustand?“
    „Männer!“, schnaubte die Wirtsfrau verächtlich, während Felicity versuchte, sie aus der Tür zu bugsieren. „Was denken Sie sich denn, Sie Einfaltspinsel? Sie erwartet ein Kind! Und wenn Sie auch nur einen Funken Verstand haben, verbieten Sie ihr in Zukunft, stundenlang in einer holprigen Kutsche zu sitzen. Beim nächsten Mal geht es vielleicht nicht so glimpflich ab!“
    Felicity schlug die Tür zu, ohne darauf zu achten, ob sie gegen den breiten Hintern von Mrs. Merryvale stieß.
    Damit konnte sie allerdings die unbedachte Enthüllung nicht aus der Welt schaffen, die in der Kammer hing wie eine giftige Wolke.

20. KAPITEL
    „Bitte, Thorn, ich kann dir alles erklären.“
    Felicitys Worte drangen wie aus weiter Ferne in seinen benommenen Verstand, während ein Gewirr von Gedanken in seinem Kopf
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