Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Julia Kroehn
Vom Netzwerk:
stanken gottlob nicht. Sie sprach sie nur im Dunkeln aus, wenn sie im Bett lag und sich ausdachte, wie ihr Leben sein könnte, falls sie jemals das Gewicht ihrer Träume dareinlegte.
    Der Graf kam seltener zu ihr, nicht mehr von Trotz getrieben, sondern von nachsichtigem, unaufwändigem Mitleid. Er mied ihren Körper zumeist, und wenn nicht, war er nicht grob, sondern sprach ihr mit vorsichtigen Berührungen ein sachtes, gleichgültiges Beileid aus.
    Ihre Augen hatten keine Tränen. Sie gewährte sich nicht das Recht, das Leben zu beklagen, sondern saß träge darin fest. Es war nicht mehr ihres. Sie hatte es Graf Maximilian längst zugeschoben, und als er nichts Rechtes damit anfangen konnte, sondern es zurückwies, war sie nicht bereit, es zu halten, sondern hatte es müde fallen lassen.
    Sie wurde nicht mutiger, als sie merkte, dass sie vom Grafen schwanger ging. Noch bevor sie es ihm gesagt hatte, war sie sich schon im Klaren, dass er das Kind nicht würde haben wollen, dass er sie gewiss mit der Last des ungeborenen Lebens abwiese. Warum sollte er sich herablassen, sie mit ihr zu teilen?
    Die Sache war verloren, die Einsamkeit besiegelt und sie ohne Aufbegehren bereit, das Kind und sich selbst verloren zu geben.
    In dieser Nacht weinte sie zum ersten und einzigen Mal. Sie lag schluchzend in ihrem Bett, schmiegte die Arme schützend um den Leib, stieg dann in Samuels Schlafstätte, um das schlafende Kind zu betasten und zu halten. Zaghaft roch sie an seinen schwarzen Locken, vergrub ihr nasses Gesicht darin, begann ihn zu streicheln, zärtlich, herzend und innig. Sie schmeckte mit ihrer Zunge seinen süßen Schweiß, leckte Schläfen und Wangen ab, nahm seine Hände, um sie sich fest um die Schultern zu legen.
    Samuel erwachte davon, spürte verwirrt ihre Nähe und vergaß, dass er sich nicht berühren lassen mochte und dass er für gewöhnlich um sich schlug, wenn man es dennoch tat. Schlaftrunken kuschelte er sich an den warmen Körper. Wieder nahm Felicitas seine Hände, führte sie zuerst an ihre geschwollenen Brüste, dann zu ihrem Bauch.
    »Da drinnen wohnt mein Engelchen«, sagte sie verweint.
    Samuels Hand war warm und schlaff. Sie küsste ihn auf die Stirn, auf die Nasenspitze, auf den Mund, nässte seine Haut und fühlte, als er wieder einschlief, seinen heißen Atem auf der Brust.
    Ihr eigenes Bett war ausgekühlt und klamm, als sie zurückkam. Sie nahm eine Stricknadel, berührte mit dem kalten Metall die Innenseite ihrer Oberschenkel, suchte mit den Fingern das Loch in ihrer Scham, spreizte es und stieß mit der Nadel hinein. Zuerst war sie vorsichtig und tastend; als es anfing zu schmerzen, wurde sie ungestüm und ärgerlich. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu stöhnen, wartete ungeduldig auf die Krämpfe, dachte, ziellos weiter stoßend, wie seltsam es sei, dass ihr Kopf, in dem grässliche Schmerzen ankamen, ihren Händen das Stoßen doch weiter befahl. Es tat so weh, dass sie Galle würgte und endlich die Stricknadel ihrer zitternden Hand entglitt.
    Ich werde mit dem blutigen Klumpen im Bauch verrecken, dachte sie. Dann fühlte sie zum ersten Mal, dass sie Graf Maximilian von ganzem Herzen hasste, so, wie sie ihn nie geliebt hatte.
    »Du Dreckskerl!«, stieß sie hervor, und die Lethargie fiel von ihr ab. »Du Hurensohn! Du Hundsfott!«, knurrte sie in das nächtliche Zimmer, ertastete die Nadel erneut, stieß fester und fester und fester in ihren Leib, ohne innezuhalten. »Wie ich dich verachte! Wie erbärmlich du bist! Fahr zur Hölle! Fahr zur Hölle!«
    In ihrem Körper tobten Schmerzen, jagten von der Mitte des Leibes bis in ihre Fingerspitzen. Ihre Haare sträubten sich. »Bin ich denn verrückt gewesen, freiwillig bei dir zu liegen?«, geiferte sie.
    Das Blut trocknete auf ihren Schenkeln, während sie gegen den Grafen wütete, in ihrem Leib stocherte und Darm und Blase zum Entleeren brachte. Dann ließ sie von sich ab. Es fiel ihr keine Verwünschung mehr ein, die sie hätte schreien können.
    Samuel fand sie am nächsten Morgen, starrte schweigend auf die erkaltete, blicklose Tote und wagte lange nicht, sich von der Stelle zu rühren. Erst viele Stunden später betrat er den Hof, malte das Gesicht der Toten in die feuchte Erde, immer wieder, bis er jeden Flecken um sich herum damit gefüllt hatte. Niemand aber scherte sich um ihn und trat zu ihm, um das Schlimme anzuschauen. Da beschmierte er die Hauswände mit dem Schlamm, um darauf Felicitas darzustellen, kehrte schließlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher