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Engelsberg

Engelsberg

Titel: Engelsberg
Autoren: Reinaldo Arenas
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Erkundens, wie sie in vielen Texten und nicht zuletzt in seiner postum 1992 erschienenen und später verfilmten Autobiografie Bevor es Nacht wird zum Ausdruck kommen. Zugleich sind es Jahre unersättlicher Lebens-, Liebes- und Leselust: Arenas holt nach, was er auf dem Lande weder hatte lesen noch leben können.
    Die Sonne schien noch, als der Wind schon drehte und Wolken am Horizont bedrohlich aufzogen. 1967 war sein vielbeachteter Debütroman Celestino vor dem Morgengrauen noch im Verlag des kubanischen Schriftsteller- und Künstlerverbandes erschienen. Arenas galt nun als hochtalentierter Nachwuchsschriftsteller. Doch als sein zweiter Roman Wahnwitzige Welt 1968 zunächst in französischer Übersetzung in Paris erschien und – gemeinsam mit Gabriel García Márquez’ Hundert Jahre Einsamkeit  – als bester ausländischer Roman ausgezeichnet wurde, konnte der Band im damaligen Kuba schon nicht mehr erscheinen. Plötzlich, so schien es und als hätte ein Wettergott dies bestimmt, war das Wetter umgeschlagen: Ein frostiger Wind blies Arenas ins Gesicht.
    Und doch hatte es an atmosphärischen Vorzeichen nicht gemangelt. Lange schon war auf der Insel der revolutionäre Schwung der Anfangsjahre dahin. Die Intellektuellen waren früh an die Kandare genommen worden, die Hexenjagd gegen jedwede »ideologische Diversion« ließ nicht lange auf sich warten. An Kuba schieden sich fortan die Geister. Doch was international im Zeichen der Frage »Sag mir, wie hältst du’s mit Kuba?« zu einer eher abstrakten intellektuellen Wasserscheide wurde, schlug sich national im Schauprozess gegen den aufmüpfigen Dichter Heberto Padilla sowie in der sich anschließenden Phase des sogenannten »grauen Jahrfünfts« – das fast ein Jahrzehnt dauerte – hautnah nieder. Fortan wurde kein Buch von Reinaldo Arenas mehr auf der Insel veröffentlicht. Bis auf den heutigen Tag.
    Die damaligen Folgen für den jungen kubanischen Autor und bekennenden Homosexuellen sind bekannt: Marginalisierung, Umerziehungslager, später Verhaftung und Gefängnis, zeitweilige Illegalität, vor allem aber das ningunear , das Totgeschwiegenwerden. Zugleich aber auch: schreiben, schreiben, schreiben – und der unablässige Versuch, das Geschriebene von der Insel ins Ausland schmuggeln und dort veröffentlichen zu lassen. Ein Kampf ums (schriftstellerische) Überleben beginnt. Es entsteht eine Literatur, die Wind und Wetter trotzt, weil sie, Wind und Wetter ausgesetzt, an den unwahrscheinlichsten Orten niedergeschrieben wird. Wenn auch die Manuskripte mehrerer Bände in den Händen der Staatssicherheit enden, so schreibt Arenas doch vieles unverdrossen von Neuem, um, koste es, was es wolle, dem Totgeschwiegenwerden zu entgehen.
    War in dieser zunehmend wahnwitzigen Welt der zweite Roman noch ein Neuschreiben der »Abenteuer« des neuspanischen Dominikanermönchs und Vordenkers der politischen Unabhängigkeit Fray Servando Teresa de Mier gewesen, so gilt während der siebziger Jahre das Neuschreiben bei Reinaldo Arenas, der mittlerweile das Gefängnis Fray Servandos in Havannas berüchtigten Morro von innen kennengelernt hatte, nunmehr den eigenen Texten. Réécriture ist fortan nicht mehr »nur« ein ästhetisch motiviertes Schreibverfahren, sondern verzweifelte Selbstbehauptung: Ich schreibe neu, also gibt es mich noch.
    Dem Sonnenstrahl der Revolution, der die dumpfe, dunkle Zeit des Diktators Fulgencio Batista beendet hatte, war der Blitzstrahl gefolgt, der nun Arenas traf, ohne ihn freilich zu paralysieren. Auch wenn von ihm bald schon keine Zeile mehr in Kuba gedruckt wurde: Im Ausland hatte man ihn nicht vergessen. Als er im Massenexodus von Mariel, in dem 1980 mehr als 125 000 Kubaner die Insel verließen, mit viel Glück das Festland der Vereinigten Staaten erreichte, durfte er zunächst hoffen, dass ihn der Wind nun übers Meer in Sicherheit gebracht hatte. Seine Literatur bekam eine neue Chance. Bald richtete er sich nicht im »kubanischen« Miami, sondern in einer kleinen Wohnung im Herzen New Yorks ein und schrieb unablässig, wie ein Besessener. Hier, im Exil, entstand zwischen 1983 und 1985 unter anderem auch der vorliegende Roman, Engelsberg .
    Es sind Jahre großer Produktivität, in denen Romane, Novellen, Erzählungen, Gedichtbände, Theaterstücke, Essays, Pamphlete und eine kämpferische Zeitschrift mit dem Titel Mariel erscheinen. Arenas baut an einem Werk, das letztlich ein einziges, sein einziges Buch darstellt: jenes Buch, in das
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