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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht
Autoren: Sara Paretsky
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schändlichsten Geheimnisse eingeweiht war, der ihn aufhören ließ, sich weiter mit mir wegen Emily zu streiten.
    »Du kannst allen erzählen, Deirdres Tod hätte dich so sehr mitgenommen, daß du deinen Kindern im Moment kein ordentliches Zuhause mehr bieten kannst«, schlug ich ihm vor, als ich mich erhob, um zu gehen.
    Fabian fing hinter seinem alten Schreibtisch zu zittern an. Nachdem seine Wut verraucht war, war er erstaunlich schnell in sich zusammengefallen. Auf meinem Weg nach draußen teilte ich dem Kindermädchen mit, daß Fabian sich nicht wohl fühle und sie die Jungen von ihm fernhalten solle.
    In jener Nacht unterhielt ich mich mit Lotty über Fabian. Ich versuchte zu verstehen, warum er die Polizei fast schon gedrängt hatte, Emily festzunehmen. »Die Polizisten und ich haben uns darüber gestritten, ob er oder Emily Deirdre umgebracht hatte, aber für ihn hat sich diese Frage überhaupt nicht gestellt. Er hat nicht versucht, die Schuld auf seine Tochter abzuschieben, damit er nicht belangt wird - er ist so egozentrisch, daß ihm nicht einmal in den Sinn gekommen ist, er könne verdächtigt werden.« »In einer Hinsicht allerdings wollte er schon wie ein Unschuldslamm dastehen«, erwiderte Lotty. »Der Mord an Deirdre war nicht so wichtig für ihn, aber die Tatsache, daß er Emily vergewaltigt hat. Er ist nicht der rationale Typ - soll heißen, er hat sich nicht hingesetzt und ist logisch alle Alternativen durchgegangen -, aber wenn er sich selbst davon überzeugen konnte, daß Emily Deirdre umgebracht hat, aus genau den Gründen, die sein Lieblingspsychiater ausgeführt hat, konnte er sich auch einreden, seine Tochter nie angerührt zu haben. Alles, was du mir erzählt hast, deutet für mich darauf hin, daß er unter einer besonderen Form von Paranoia leidet: Er kommt wunderbar zurecht im Berufsleben - wahrscheinlich hält es ihn sogar aufrecht. Aber gleichzeitig weiß er nichts von all den schrecklichen Dingen, die er macht - er weiß nicht mehr, daß er seine Frau geschlagen oder seine Tochter vergewaltigt hat: Diese Dinge vergißt er wirklich.«
    »Das ist ja ekelhaft.« Ich schenkte mir noch einen Whisky ein. »Dann heiratet er also über kurz oder lang wieder und gründet eine neue Familie.«
    »Unsere Welt ist eben nicht perfekt«, meinte Lotty. »Kannst du ihn nicht wenigstens der Mittäterschaft bei den Verbrechen von Gant-Ag beschuldigen?« Ich schüttelte den Kopf. »Wir brauchen ihn - er muß den Kindergarten und die Schule und die Therapie und die ganzen Sachen zahlen. Außerdem haben wir schon unsere liebe Mühe damit, die Musketiere wegen der GantAg-Sache ins Gefängnis zu kriegen. Fabian war auch gar kein richtiger Mittäter, er hat dem Senator nur einen wertvollen juristischen Rat gegeben. Und mir hat er deswegen das Leben schwergemacht, weil er sich damit bei Gantner einschmeicheln wollte. Er wußte um die ganze Geschichte, aber er hat keinen direkten Nutzen daraus gezogen. Er wollte lediglich diese verdammte Bundesrichterstelle.«
    Ich trank weiter, auch noch, nachdem mich Lotty vor einem gewaltigen Kater am nächsten Morgen gewarnt hatte. Aber ich wurde einfach nicht betrunken. Nicht einmal Black Label konnte Fabians Geschmack aus meinem Mund herausbrennen.

Märchenerzähler
    Eva Kuhn und Officer Neely waren entzückt über das, was ich bei Fabian erreicht hatte, aber sobald ich Emilys Probleme gelöst hatte, verfiel ich selbst in eine Lethargie, die ich nicht mehr abschütteln konnte. Ich legte dem Staatsanwalt eine eidesstattliche Versicherung über Antons Angriff gegen Emily und mich im Krankenhaus vor. Ich sprach mit zahllosen Bundesbehörden über die illegalen Arbeiter aus Rumänien und überlegte lustlos, warum die Beamten der obersten Finanzbehörde mir bezüglich der Geldwäscherei keine Fragen stellten.
    Murray kam fast täglich vorbei und berichtete mir voller Energie von seinen Bemühungen, Alec Gantner senior und junior festzunageln. Er versuchte immer wieder, mich für seine Nachforschungen zu begeistern. Ich kam mir vor, als würde ich von einer gigantischen Stechmücke angegriffen, und verzog mich immer häufiger mit den Hunden an den See.
    Ein paar Tage nachdem Fabian meinen Vertrag unterzeichnet hatte, wurde mir mitgeteilt, daß mich Gant-Ag wegen einer Entschädigung für das Flugzeug, das meinetwegen in Flammen aufgegangen war, verklagen wolle. Depressionen sind ein wunderbarer Schutz gegen Angst - ich spürte weit weniger Panik in mir aufkommen, als das sonst
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