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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht
Autoren: Sara Paretsky
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das Gesicht zu einem Grinsen, als Eva sagte: »Vic glaubt, sie ist hart, aber mir hat sie beim Basketball noch nie das Wasser reichen können. Laß dir von ihr nichts aufschwatzen, was du nicht möchtest.« »Spielst du Basketball mit Eva?« fragte ich. »Nimm dich in acht vor ihren Ellbogen - für die braucht sie einen Waffenschein.«
    Ich erzählte ihr von den letzten Tagen, erklärte ihr, wer ihre Mutter umgebracht hatte und warum und wieso sie sich keine Sorgen mehr machen mußte, daß irgend jemand versuchte, ihr weh zu tun.
    »Ich hab' im Fernsehen den explodierten Jet gesehen. Waren Sie das?« fragte sie mich mit ihrer schüchternen, leisen Stimme.
    »Die wollten mich überfahren, also habe ich die Reifen kaputtgeschossen.« Als sie mich voller Ehrfurcht anschaute, fügte ich hinzu: »Ich hab' mein Lebtag noch keine solche Angst gehabt, das kannst du mir glauben.«
    »Und Sie wissen wirklich sicher, daß der Mann im Krankenhaus meine Mutter getötet hat? Sie sagen das nicht nur, damit ich mir keine Gedanken mehr mache?« »Keine Gedanken mehr ... ? Ach so. Du denkst an das, was Dr. Zeitner dir einzureden versucht hat, daß du verdrängst, sie umgebracht zu haben. Nein, Emily. Ich fürchte, so weit geht meine Fähigkeit zu lügen nicht.«
    »Aber wen habe ich dann in der Nacht in Ihrem Büro gesehen? Ich hab' doch Daddy gesehen.«
    Ich verzog das Gesicht. »Dr. Zeitner hat leider in einem Punkt recht: Unser Gedächtnis ist nicht immer sehr zuverlässig. Wenn wir davon überzeugt sind, etwas gesehen zu haben, dann erinnern wir uns auch daran. Du hast die Füße eines Mannes gesehen, und du warst dir sicher, daß es die von Fabian waren. Aber denk doch mal logisch drüber nach: Du weißt, daß er an jenem Abend nicht zu Hause war. Nachdem er sich über dich hergemacht hatte, ist er in sein eigenes Zimmer. Dort war er auch, als du das Haus verlassen hast.
    Als du in der Innenstadt angekommen bist, war deine Mutter schon tot. Dein Vater kann unmöglich in die Stadt gefahren sein, deine Mutter umgebracht und das Büro wieder verlassen haben, bevor du dort eingetroffen bist. Nicht einmal dann,' wenn er mit dem Wagen gefahren ist, während du den Bus genommen hast.« Als sie über das, was ich gesagt hatte, nachdachte, kehrte der verkniffene Ausdruck auf ihr Gesicht zurück. »Bedeutet das, daß er recht hat, daß ich mir... das andere... auch nur ausgedacht habe? Daß ich mir das so denke, weil ich es mir eigentlich wünsche?« »Meinst du das denn, Emily?« fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Manchmal habe ich das Gefühl, daß ich verrückt bin und mir das alles bloß einbilde.«
    »Ich weiß, daß du nicht verrückt bist, Emily. Schließlich haben wir uns oft genug unterhalten in den letzten Tagen, und ich habe miterlebt, daß du dich genauso verhältst wie andere Menschen auch«, sagte Eva, die so selbstsicher und beruhigend klang wie eine Göttin. »Ich kenne deinen Vater nicht, aber ich habe schon eine Menge Väter kennengelernt, die sich so schämen für das, was sie ihren Frauen und Töchtern angetan haben, daß sie sich einreden, es wäre nie passiert. Sie werden wütend, sie erzählen Lügen, und sie versuchen, ihren Töchtern die Schuld für das in die Schuhe zu schieben, was sie selbst gemacht haben.«
    Wir ließen Emily ein paar Minuten Zeit, das zu verdauen, bevor ich wieder etwas sagte. »Die Frage ist nur: Was möchtest du als nächstes tun? Eva, Marilyn und ich glauben, es wäre sinnvoll, wenn du noch einen Monat oder so hierbleibst. Dann könnten wir dir einen Platz suchen, wo du dich sicher und geborgen fühlen kannst. Und wo du dich weiterhin mit einer guten Therapeutin treffen kannst - mit einer Frau wie Eva, die nur noch mehr Zeit für dich hat. Du solltest darüber nachdenken, ob du in deine alte Schule zurück möchtest im Herbst. Es gibt viele Fragen, die du überlegen solltest.« »Ich kann die Jungs nicht im Stich lassen«, flüsterte sie.
    »Das verlangt auch niemand von dir. Ich sage nur, wir müssen einen besseren Ort für dich finden als dein bisheriges Zuhause. Du hast nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte, Emily. Du hast Anrecht auf ungestörten Schlaf.«
    Sie fing zu weinen an. »Wenn ich ausziehe, darf ich sie nie wiedersehen. Er wird zornig sein auf mich. Ich kann nicht ... «
    »Uberlaß das ruhig mir. Ich sorge dafür, daß du deine Brüder so oft sehen kannst, wie du möchtest. Mach dir keine Sorgen darüber, ob dein Vater wütend sein wird oder nicht. Auch
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