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Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis
Autoren: Camilla L�ckberg
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wischte sich mit dem Pulloverärmel über das blutverschmierte Gesicht.
    Frans überlegte eine Weile.
    »Ich weiß, wie wir es machen. Wir warten, bis es dunkel ist. Dann tragen wir ihn hinaus. Wir müssen ihn so hinlegen, dass er nicht noch mehr Blut hier verteilt. In der Zwischenzeit putzen wir hier gemeinsam und waschen uns selbst.«
    »Aber …«, begann Erik, konnte seine Frage jedoch nicht beenden, sondern sackte auf den Boden und fixierte einen Punkt hinter Frans.
    »Ich kenne einen perfekten Ort für ihn. Er darf bei seinesgleichen ruhen«, grinste Frans.
    »Seinesgleichen?«, wiederholte Axel mit leerer Stimme. Er starrte die Stockspitze an, die mit Blut und Haaren bedeckt war.
    »Wir legen ihn in das Grab der Deutschen. Auf dem Friedhof.« Frans’ Grinsen wurde immer breiter. »Beinhaltet das nicht eine gewisse poetische Gerechtigkeit?«
    »Ignoto milite« , murmelte Erik, der auf dem Boden saß und ins Leere blickte. Frans sah ihn fragend an. »Der unbekannte Soldat«, erklärte er leise, »das steht auf dem Grab.«
    Frans lachte. »Siehst du? Es ist der perfekte Platz.«
    Keiner der anderen lachte, aber es protestierte auch niemand gegen Frans’ Vorschlag. Mit steifen Bewegungen erledigten sie die Dinge, die getan werden mussten. Sie legten Hans auf einen großen Sack, den Erik im Keller gefunden hatte. Axel holte den Putzeimer aus der Besenkammer im Flur, und Frans und Britta machten sich an die mühevolle Arbeit, die Bibliothek zu reinigen. Es erwies sich als schwieriger, als sie gedacht hatten. Das Blut war zähflüssig und schien sich überall verteilt zu haben. Britta heulte hysterisch, während sie wischte. Manchmal hielt sie inne und kniete sich mit der Scheuerbürste in der Hand schluchzend auf den Boden, doch Frans zischte ihr zu, sie solle weitermachen. Ihm selbst troff vor Anstrengung der Schweiß von der Stirn, aber in seinen Augen war nichts von dem Schleier zu erkennen, der über dem Blick der anderen lag. Erik schrubbte mechanisch und murmelte nicht mehr, sie müssten zur Polizei gehen. Am Ende hatte er eingesehen, dass Frans recht hatte: Sie durften nicht riskieren, dass Axel, der gerade erst dem Konzentrationslager entronnen war, verhaftet und wieder ins Gefängnis gesteckt wurde.
    Nachdem sie über eine Stunde hart gearbeitet hatten, wischten sie sich den Schweiß von der Stirn. Zufrieden stellte Frans fest, dass von dem Ereignis, das sich hier abgespielt hatte, keine Spuren mehr zu sehen waren.
    »Wir leihen euch Sachen aus Mutters und Vaters Kleiderschrank«, sagte Erik gedämpft und ging ihnen etwas zum Anziehen holen. Als er zurückkam, saß sein Bruder zusammengesunken in einer Ecke der Bibliothek und starrte noch immer auf die blutigen und haarigen Klumpen an der Spitze seines Stocks. Seit der Zorn von ihm gewichen war, hatte er kein Wort gesagt, doch nun blickte er auf. »Wie sollen wir ihn zum Friedhoftransportieren? Wäre es nicht besser, ihn draußen im Wald zu vergraben?«
    »Ihr habt doch einen Fahrradanhänger, den nehmen wir.« Frans wollte seine Idee nicht aufgeben. »Gib dir einen Ruck. Wenn wir ihn im Wald begraben, kommt ein Tier und buddelt ihn wieder aus. Auf den Gedanken, dass im Grab der Deutschen noch eine Leiche liegt, kommt kein Mensch. Schließlich ist er nicht der erste Tote dort drinnen. Wir legen ihn auf den Fahrradanhänger und decken ihn zu, dann sieht ihn keiner.«
    »Ich habe schon genug Gräber gegraben …«, murmelte Axel abwesend und starrte wieder auf seinen Stock.
    »Das erledigen Frans und ich«, sagte Erik hastig. »Du kannst hierbleiben, Axel. Und Britta soll nach Hause gehen. Ihre Leute machen sich Sorgen, wenn sie nicht zum Essen kommt.« Er ratterte die Worte hinunter wie ein Maschinengewehr und wandte den Blick nicht von seinem Bruder ab.
    »Ich kann noch bleiben«, sagte Frans dumpf. »Zu Hause interessiert es niemanden, wann ich komme und gehe. Wir warten bis zehn, dann sind nicht mehr so viele Leute auf der Straße und es ist richtig dunkel.«
    »Was machen wir mit Elsy?«, fragte Erik leise, er sprach langsamer als sonst. Er blickte auf seine Schuhe hinunter. »Sie wartet doch auf ihn. Und nun bekommt sie ein Kind …«
    »Ein Deutschenbalg, ja! Das hat sie sich selbst zuzuschreiben«, zischte Frans. »Elsy darf nichts davon erfahren. Verstanden? Sie soll glauben, dass er abgereist ist und sie im Stich gelassen hat, was er mit Sicherheit auch getan hätte. Aber ich werde kein Mitgefühl an sie verschwenden. Damit muss sie alleine
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