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Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis
Autoren: Camilla L�ckberg
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zurechtkommen. Irgendwelche Einwände?« Frans durchbohrte die anderen mit seinem Blick. Keiner sagte ein Wort.
    »Gut. Somit wäre das entschieden. Das hier ist und bleibt unser Geheimnis. Geh jetzt nach Hause, Britta, bevor jemand nach dir sucht.«
    Britta stand auf und strich mit zitternden Händen ihr blutiges Kleid glatt. Ohne ein Wort nahm sie das Kleid in die Hand, das Erik ihr reichte, und ging sich waschen und umziehen. Bevor sie die Bibliothek verließ, sah sie als Letztes Eriks Blick. Die Wut,die er ausgestrahlt hatte, als Hans’ Geheimnis aufgedeckt wurde, war verschwunden. Nun war nur noch Scham übrig.
    Einige Stunden später wurde Hans in das Grab gelegt, in dem er sechzig Jahre ungestört ruhen sollte.

Fjällbacka 1975
    V orsichtig legte Elsy die Zeichnung von Erica in die Kiste. Tore war mit den Kindern auf dem Boot, und sie hatte das Haus ein paar Stunden für sich allein. In solchen Momenten ging sie oft nach oben. Saß einfach da und dachte über das nach, was gewesen war, und das, was war.
    Das Leben war so anders geworden, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie nahm die blauen Tagebücher in die Hand und strich zerstreut mit den Fingerspitzen über das oberste. Wie jung sie gewesen war. Wie naiv. Wie viel Schmerz hätte sie sich ersparen können, wenn sie damals bereits gewusst hätte, was ihr heute vollkommen klar war. Dass man nicht das Recht hatte, zu sehr zu lieben. Sie hatte das Versprechen gehalten, das sie sich selbst gegeben hatte. Nie wieder so zu lieben.
    Natürlich spürte sie manchmal die Versuchung, sich zu öffnen und jemanden in ihr Herz zu lassen. Wenn sie ihre beiden blonden Mädchen ansah, deren Gesichter sich ihr sehnsüchtig zuwandten. In ihnen konnte sie einen Hunger erkennen, eine richtige Gier nach etwas, das von ihr erwartet wurde, obwohl sie es nicht geben konnte. Vor allem Erica. Sie brauchte es noch mehr als Anna. Manchmal fiel ihr auf, dass Erica dasaß und sie mit einem Ausdruck von so viel unerwiderter Liebe ansah, wie in einem kleinen Mädchenkörper nur Platz hatte. Ein Teil von Elsy wollte das Versprechen aufgeben, zu ihr gehen, die Arme um die Tochter legen und spüren, wie ihre Herzen im gleichen Takt schlugen. Doch jedes Mal hinderte sie etwas daran. Im letztenMoment bevor sie aufstand, um ihre Tochter zu umarmen, spürte sie immer den kleinen, warmen Körper in ihren Händen. Dieser vollkommen neue Blick, mit dem er sie ansah. Er war Hans so ähnlich, und ihr auch. Ein Kind der Liebe, das sie mit ihm zusammen großziehen wollte. Stattdessen hatte sie es allein in einem Raum mit lauter Fremden zur Welt gebracht, musste erleben, wie es zuerst aus ihrem Körper und dann aus ihren Armen glitt und einer anderen Mutter übergeben wurde, die sie nicht kannte.
    Elsy griff in die Kiste und zog das Säuglingshemd heraus. Die Blutflecke waren mit den Jahren heller geworden und erinnerten jetzt eher an Rost. Sie hielt sich das Hemdchen an die Nase und roch daran, weil sie wissen wollte, ob noch etwas von seinem süßen warmen Duft daran haftete. Aber sie nahm nichts wahr. Nur den muffigen Eigengeruch der Kiste, der mit den Jahren den des Jungen vollständig vertrieben hatte.
    Manchmal kam ihr der Gedanke, nach ihm zu suchen. Sie hätte sich zumindest davon überzeugen können, dass es ihm gutging. Aber weitere Schritte hatte sie nie unternommen. So wie es immer bei der Vorstellung blieb, sie könnte sich selbst von dem Versprechen entbinden, ihr Herz verschlossen zu halten, zu ihren Töchtern gehen und die Arme um sie legen.
    Sie nahm den Orden aus der Kiste und wog ihn in der Hand. Sie hatte ihn gefunden, als sie vor ihrer Reise zu dem Ort, wo sie niederkommen sollte, sein Zimmer durchsuchte. Als sie noch Hoffnung hatte und glaubte, zwischen seinen Habseligkeiten könnte sie eine Erklärung dafür finden, warum er nicht zu ihr und dem Kind zurückkam. Doch das Einzige, was sie außer ein paar Kleidungsstücken fand, war der Orden. Sie wusste nicht, was er zu bedeuten hatte, woher er kam und welche Rolle er in Hans’ Leben spielte, doch sie spürte, dass er wichtig war und bewahrte ihn auf. Behutsam wickelte sie den Orden in das Hemdchen und legte das kleine Bündel wieder in die Kiste. Dann legte sie die Tagebücher und das Bild hinein, das Erica ihr am Morgen geschenkt hatte. Das war alles, was sie ihren Töchtern geben konnte. Einen Augenblick der Liebe, wenn sie mit ihren Erinnerungen allein war. Dann konnte sie sich überwinden, nicht nurmit dem Kopf, sondern
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