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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
Autoren: Matthew Skelton
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500 Jahren in den College-Gebäuden gelebt hatten.
    Er stand auf, um einen Blick in die Vitrine zu werfen. Die Handschrift war mit kunstvoll verschlungenen Ranken in Grün und Gold verziert, aus denen fedrige zarte Blätter und prachtvolle türkisblaue Blumen wuchsen. Blake hauchte auf das Glas und sah die schwarze Handschrift wie unter einer Eisschicht verschwimmen.
    Vom Treppenabsatz aus konnte er das Foyer überblicken - eine Halle mit Säulen und Büsten entlang der Wände —, doch von seiner Mutter war immer noch keine Spur zu sehen. Duck stand gebückt neben einem der hohen Karteikarten-Kataloge und streichelte Mephistopheles. Der Kater hatte sich wie ein Komma um ihre Beine gelegt.
    Blake wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Handschrift zu.
    Während sich der Kondensfleck an der Scheibe auflöste, bekam der ovale Anfangsbuchstabe links oben auf der Seite allmählich seine rote Farbe zurück. In das große purpurfarbene O war eine Miniatur gezeichnet: Auf einem Hocker saß ein Mönch in schwarzer Kutte und auf seinem Knie eine kleine marionettenähnliche Figur. Die merkwürdige Gestalt trug eine ungewöhnliche senffarbene Kapuze, einer Narrenkappe ähnlich, und ein mattgelbes Gewand, das kaum den krummen Rücken des Kleinen verhüllte.
    Auf einem mit Schreibmaschine getippten Schild neben der Handschrift stand die Erklärung:

    Blake starrte auf die seltsame magere Gestalt. »Aber das ist doch ein Junge«, murmelte er. »Kein alter Mann.«
    »Ich fürchte, du irrst dich«, sagte eine Stimme unten an der Treppe.
    Blake wandte den Blick von der Handschrift ab und sah Paula Richards, die Bibliothekarin, die Treppe heraufkommen. Sie setzte ihre Brille auf und beugte sich vor, um die Miniatur genauer zu studieren. Dabei wogte ihre Bluse wie eine Flut aus Seide und Spitze gegen das Glas der Vitrine - ein gerüschter Airbag.
    »Sieh mal hier«, sagte sie, fuhr mit dem Finger unter einer Zeile entlang und sagte etwas Unverständliches in Latein. »Theodoric schreibt dieser Gestalt große Gelehrsamkeit zu. Wie soll ein Kind große Gelehrsamkeit besitzen? Die meisten Wissenschaftler sehen in ihm einen alten Mann, gewissermaßen die Verkörperung der Weisheit, die mit dem Alter und der Erfahrung kommt.«
    Gerade wollte Blake widersprechen, als er eine Reihe von Wörtern entdeckte, die wie eine viereckige Sprechblase aus dem Mund der Figur quollen.
    »Was heißt das?«, fragte er.
    Die Bibliothekarin studierte den Spruch eine Weile, dann übersetzte sie: »Weisheit spricht mit stummer Zunge.«
    Blake runzelte die Stirn. »Versteh ich nicht.«
    »Ich auch nicht, ehrlich gesagt«, erklärte die Bibliothekarin lachend und wischte Blakes Fingerabdrücke vom Glas.
    »O nein, nicht schon wieder du«, rief seine Mutter von unten. »Komm, Blake, stiehl nicht Mrs Richards' kostbare Zeit. Sie hat bestimmt Besseres zu tun.«
    Blake murmelte etwas Unfreundliches, aber Paula Richards lachte nur. Dann legte sie ihm den Arm um die Schultern und begleitete ihn die Treppe hinunter zum Eingang, wo seine Mutter mit der Aktentasche in der Hand wartete.
    »Ich denke, es heißt, dass es besser ist, wenn man gesehen, aber nicht gehört wird«, flüsterte ihm die Bibliothekarin ins Ohr.
    Blake nickte, dann warf er einen letzten Blick auf die Handschrift in ihrem gläsernen Sarg. »Trotzdem glaube ich, dass es ein Junge ist«, murmelte er vor sich hin.

    Die Sonne strahlte, als sie endlich aus der Bibliothek ins Freie traten.
    Paula Richards hielt Mephistopheles, der unschlüssig war, ob er hinausgehen sollte oder nicht, die Tür auf. Er streckte sich träge, halb drin halb draußen, und schließlich half Mrs Richards mit einem kleinen Stups nach.
    »Die Bibliothek ist kein Ort für deinesgleichen«, sagte sie drohend zu der Katze.
    Blake grinste. Sie hatte ihm erzählt, dass Mephistopheles einmal nachts in der Bibliothek eingesperrt gewesen war, dass er ihr dort ein kleines Andenken hinterlassen hatte und dass es durchaus nicht zu ihren Pflichten gehörte, solche Hinterlassenschaften zu beseitigen.
    Juliet Winters ging vor Duck und Blake die Treppe hinunter und um das kleine Rasenrondell herum, das vor der Bibliothek angelegt war. Ein warmes Lüftchen ließ die Blätter an den Bäumen tanzen und streute ein flimmerndes Muster aus Licht und Schatten auf den Weg. Mephistopheles lief voraus und vollführte ausgelassene Bocksprünge über die Schatten.
    Sie gingen unter einem steinernen Torbogen hindurch, dessen Wölbung dicht von Spinnennetzen
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