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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
Autoren: Matthew Skelton
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irgendwo tickte eine Uhr, ein träger Ton, der die Zeit zu verlangsamen schien. Von oben waren leise Schritte auf den Holzdielen zu hören. Das war bestimmt seine Schwester Duck, die sich auf der Galerie umsah. Sonst aber war hier kein Mensch.
    Nur Mephistopheles, die College-Katze, eine geschmeidige schwarze Gestalt mit nadelspitzen Krallen lag faul am Fenster in der Sonne - und Mephistopheles kümmerte sich nur um eines: um sich selbst.
    Soweit Blake feststellen konnte, war er ganz allein. Das heißt, bis auf das Seltsame, was da im Regal lauerte.

    Langsam, vorsichtig, fuhr er noch einmal mit den Fingern über die Bücher.
    »Blake!«, zischte seine Mutter, die gerade den Kopf aus der Bürotür streckte. Wie immer sah sie ausgerechnet dann nach ihm, wenn er sich gerade mal nicht mustergültig benahm.
    Paula Richards, die Bibliothekarin, stand freundlich lächelnd hinter ihr.
    »Was hab ich dir gesagt?«, schimpfte seine Mutter. »Du sollst die Bücher nicht anfassen. Das Papier ist meistens brüchig, die Bücher sind selten und zum Teil sehr wertvoll. Nun heb das Buch auf, vorsichtig, und dann such schon mal deine Schwester. Ich komme jetzt gleich.«
    Überrascht sah Blake zu Boden. Vor ihm lag ein unscheinbares, in braunes Leder gebundenes Buch, das er vorher nicht gesehen hatte. Es lag mit dem Titel nach unten und schien darauf zu warten, dass er es umdrehte.
    Seine Mutter entschuldigte sich bei der Bibliothekarin. »Es tut mir Leid, Mrs Richards, aber Blake ist nicht gerade der geborene Leser.«
    »Ach, halb so schlimm, Dr. Winters«, sagte Mrs Richards heiter. »Das passiert mir selber, dass ich mal ein Buch aus dem Regal stoße.«
    Sie zwinkerte Blake zu, dann zog sie die Tür hinter sich und seiner Mutter ins Schloss, und er konnte nichts mehr von ihrer Unterhaltung hören.
    Blake mochte Mrs Richards. Sie war eine stets vergnügte Frau, die Bücher liebte und noch lieber über Bücher sprach. Sie hatte eine laute, dröhnende Stimme und trug eine Brille mit dicken Gläsern. Wenn sie sie abnahm, legte sie sie jedes Mal mit lautem Klappern auf den Tisch, und wenn Blake durch die Gläser sah, konnte er die Wörter schwimmen sehen wie Beine unter Wasser. Manche Buchstaben wölbten und krümmten sich stärker als andere, aber noch mehr faszinierten ihn die feinen Vertiefungen im Papier - sie erinnerten ihn an Fußspuren im Schnee, an Polarexpeditionen.
    Mrs Richards konnte Bücher als etwas Magisches erscheinen lassen, etwas, das Spaß machte, während sie für seine Mutter nur Arbeitsmittel waren. Sie prüfte mit ihnen sein Leseverständnis und fragte ihn oft ab, je nach seinen Ergebnissen in der Schule.
    Blake war nicht sehr gut gewesen im letzten Jahr, keine Frage. Aber sie würde ihm nicht glauben, wenn er ihr versicherte, dass er sich trotzdem große Mühe gegeben hatte. Manche Dinge ergaben einfach keinen Sinn für ihn. Es war, als würden sich die Wörter auflösen, sobald er sie genauer ansah. Gerade noch saßen sie ordentlich in der Reihe wie Vögel auf einer Stromleitung, und im nächsten Augenblick stoben sie auseinander wie ein Schwarm aufgescheuchter Sperlinge. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren.
    Man hoffte, dass ihm eine kurze Unterbrechung von der Schule, der Aufenthalt in Oxford und Nachhilfeunterricht bei seiner Mutter gut tun und seine Konzentrationsfähigkeit stärken würden. »Eine ganz neue Perspektive« hatte seine Nachhilfelehrerin gesagt, als sei in diesem Ausdruck alles zusammengefasst. Seine Mutter hatte ihn aber einfach nur an andere College-Angestellte weitergereicht, die genauso viel tun hatten wie sie selbst, und deshalb saß er den größten Teil des Tages allein in der Bibliothek, arbeitete an seinen Aufgaben für die Schule oder passte auf seine Schwester auf. Seine Mutter recherchierte für ein neues Buch und hatte keine Zeit für »andere Dinge«.
    Blake bückte sich, um das Buch aufzuheben, doch dann hielt er plötzlich inne. Eine unbestimmte Angst durchfuhr ihn. War es etwa dasselbe Buch, das nach seinem Finger geschnappt hatte?
    Unmöglich, dachte er. So etwas tun Bücher nicht. Und außerdem, der Einband dieses Buches war abgeschabt, rissig und spröde wie ein alter Lederhandschuh. Es sah vollkommen harmlos aus.
    Er schüttelte den Kopf über seine eigene Dummheit.
    Schnell, bevor er es sich anders überlegen konnte, hob er den Band auf, um ihn wieder ins Regal zu stellen. Da passierte noch etwas: Das Buch ruckelte zwischen seinen Fingern - ganz leicht nur, eine
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