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Endstation Oxford

Endstation Oxford

Titel: Endstation Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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Ihr Vater schlug Frances, weil sie ihre Karotten auf den Boden geworfen hatte – meiner Ansicht nach übrigens zu Recht –, und sie wünschte sich seinen Tod. Fünf Minuten später lag er blutend auf dem Bürgersteig. Frances war der Überzeugung, dass einzig ihr starker Wille dazu geführt hatte. In ihrer Vorstellung folgte dies einer ganz einfachen Logik: Was falsch war, wurde korrigiert, und die Gerechtigkeit hatte gesiegt. Diese Gewissheit durchflutete sie mit einer inneren Wärme, die unsereins nur nach einer spannenden Auktion oder nach sehr gutem Sex verspürt. Frances hat miterleben müssen, wie sich Peter bei der Carston-Sammlung gegen Ben durchsetzen konnte, und war der Meinung, dass er deutlich zu wenig dafür bezahlt hatte. In ihren Augen eine schreiende Ungerechtigkeit.« Estelle hielt inne und runzelte die Brauen, als überlege sie, ob Frances in diesem Punkt nicht vielleicht doch recht hatte. »Sie hielt mich gefangen, um Peter zu zwingen, ihr einen großzügigen Vorschuss auf seine zukünftigen Verkäufe auszuzahlen.«
    »Geht es ihr um Ben oder um Adela?«
    »Um beide, glaube ich. Immerhin wollte sie neunzig Prozent der Gewinne zwischen den beiden aufteilen und Peter mit einer Kommission von zehn Prozent abspeisen. Als Peter das ablehnte und Kate sich einmischte, ging für sie jedoch nach und nach alles schief. Als Reaktion darauf wünschte sie uns allen den Tod.«
    »Aber sie hat Myles im Affekt getötet«, sagte Jon. »Ich habe heute Morgen mit einem Freund telefoniert, der mir erzählt hat, dass Frances gegen den Rat ihres Anwalts nicht aufhört zu reden. Angeblich ist es so zu der Tat gekommen: Am Donnerstagabend traf sie Myles, der auf dem Weg vom Büro zu seiner Freundin in der Kingston Road war. Er hatte eine Tüte mit Lebensmitteln bei sich – unter anderem eine Flasche Montrachet – und eine schicke Tragetasche mit einem teuren Geschenk für Ellie. Myles schuldete den Akins mehrere Tausend Pfund, die er angeblich nicht bezahlen konnte, aber er hatte gerade erst ein kleines Vermögen für die Frau ausgegeben, die Frances als sein Flittchen bezeichnete. Während Frances überlegte, ob sie sich bei Oxfam einen warmen Mantel leisten konnte, gab Myles zwei- oder dreihundert Pfund für einen sexy Fummel für Ellie aus. Und weil sie sich keinen guten Burgunder kaufen konnte, hatte Frances sich eine Flasche Merlot im Supermarkt besorgt.
    Myles schlug vor, die Diskussion im Büro fortzusetzen, anstatt sich auf der Straße zu streiten. Er bot ihr an, ihre Tüten zu tragen. Als er sie in den Büroräumen absetzte, nahm er den Wein heraus, um einen Blick auf das Etikett zu werfen. Er steckte ihn sofort in die Tüte zurück und zeigte ihr den Montrachet, um ihr klarzumachen, wie eine anständige Flasche Wein aussieht. Dabei lachte er. Es war dieses Lachen, das das Fass zum Überlaufen brachte. Frances riss ihm die Flasche aus der Hand und schmetterte sie in sein grinsendes Gesicht. Mit etwas Glück hätte sie nur seinen Wangenknochen erwischt, aber im letzten Moment sah er, wie sie ausholte, und drehte sich weg. Sie erwischte ihn direkt hinter dem Ohr und mit der Kraft einer Frau, die ihre Wut jahrelang unterdrückt hatte.
    Niemand hat gesehen, wie sie kam oder wie sie das Büro wieder verließ. Alle hatten den Blick auf die vereiste Straße vor sich geheftet und hofften, möglichst bald den nächsten Bus nach Haus zu erwischen. Frances, die sich in Strickmütze, Schal und dicke Handschuhe gehüllt hatte, fiel unter den Menschen auf der Straße nicht auf. Wegen des Schnees unter ihren Schuhen, der im Warmen sofort schmolz, hatte sie auch nirgends Fußabdrücke hinterlassen. Vielleicht wäre man ihr eines Tages durch Zufall auf die Schliche gekommen, aber bis gestern gehörte sie sicher nicht zum Kreis der Hauptverdächtigen.«
    »Alles hat mit ihrer Kindheit zu tun«, fuhr Estelle fort. »Wussten Sie, das Myles und Ben zusammen auf der Schule waren? Nachdem Myles’ Vater gestorben war, kam der Junge auf eine öffentliche Schule. Er war immer ein ziemlicher Rabauke, aber irgendwie ist das verständlich, finden Sie nicht? Trotz des Schulwechsels blieben Ben und Myles Freunde. Frances behauptet, dass Myles einen ganz schön schlechten Einfluss auf Ben hatte. Ich persönlich bin davon nicht ganz überzeugt und glaube eher, dass sie zusammen über die Stränge schlugen.«
    »Inwiefern?«, fragte Kate.
    »Schnaps, Gras und Mädchen. Alles, was sie bekommen konnten.«
    »Und wie haben sie das
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