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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel
Autoren: Mischa Martini
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weiter.
    Walde ging tiefer ins Zelt hinein. Er gelangte zu einer Leiter, die hinunter in den Graben führte, und rief: »Kann ich helfen?«
    »Nee, verarschen kann ich mich selbst.«
    Endlich kam Grabbe die Leiter hochgestiegen. Als sein Kopf über dem Graben war, wuchtete er etwas mit Schwung über den Rand.
    Walde sprang zur Seite, um nicht getroffen zu werden. Was da so verdreht auf dem Boden lag, hatte die Größe eines Menschen. Walde ging näher heran. Ins Zelt fiel nur wenig Licht.
    Das Ding war hautfarben. Es sah aus wie eine nackte Frau, aber die hätte Grabbe nicht so leicht aus der Grube werfen können. Walde stieß vorsichtig mit dem Fuß dagegen. Die Gestalt war ganz leicht. Er beförderte sie nach und nach vor das Zelt. Im Schein des Nachthimmels erkannte er eine von Schlamm verdreckte Beate-Uhse-Puppe.
    »Ist ja widerlich!«, sagte er.
    Grabbe kam schwankend herbei. Seine Kleidung war von oben bis unten voller Schlamm: »Wo sind die Schweine hin? Die können was erleben.«
    Grabbe stank nach fauligem Wasser.
    »Ich geh’ dann mal. Für heute reicht’s mir«, sagte er.
    »Und was ist mit dem Ding da?«, fragte Walde und stieß mit dem Fuß gegen die Puppe. Sie verursachte ein unangenehm scheuerndes Geräusch auf dem Untergrund.
    Grabbe kniete sich neben die Puppe und hantierte an ihr herum, wobei sie ein enervierendes Quietschen von sich gab. Nach einer Weile drehte er sie um: »Wo ist denn der verdammte Stöpsel, mir ist kalt.«
    »Dann mach!«, sagte Walde gereizt.
    Grabbe motzte: »Ich hab’ dieses Ding nicht hierher geschafft!«
    »Aber wir können es hier auch nicht liegen lassen.«
    Endlich zischte es.
    Als Grabbe die Puppe umständlich zusammengefaltet hatte, klemmte er sie unter den Arm und wankte neben Walde zur Baustelleneinfahrt. Dort hatten sich die Gaffer inzwischen zerstreut.
    »Kannst du mich mitnehmen?«, fragte Grabbe.
    »Damit?« Walde deutete auf sein Fahrrad.
    »Meinst du, mit den verdreckten Klamotten nimmt mich ein Taxi mit?«
    »Dann steig’ auf!«
    Walde kam sich vor wie ein chinesischer Rikschafahrer. Im kleinsten Gang strampelte er die Steigung zum Mattheiser Weiher hinauf. Auf dem Bürgersteig war niemand mehr unterwegs. In manchen Einfamilienhäusern links und rechts der Straße, wo keine Rollläden herunter gelassen waren, brannte Licht. Ab und an überholte sie ein Auto, zumeist in respektvollem Abstand. Walde versuchte das Tempo zu erhöhen, damit der Fahrtwind den fauligen Gestank abhielt.
    »Halt mal an! Ich hab’ das Ding verloren«, rief Grabbe.
    »Mist!« Walde stoppte und schob das Rad auf den Bordstein, während sein Fahrgast über die Straße zurücktappte. Als Grabbe außer Atem wiederkam, hatte er die Puppe im Arm. Das Gesicht mit dem aufdringlichen Mund lugte unter seinem Ellbogen hervor, als habe er die Puppe im Schwitzkasten. Die kraftlosen Beine schleiften über die Straße.
    »Nun falt’ das Ding doch zusammen!«, Walde schaute sich um, ob sie beobachtet wurden.
    Grabbe ließ das Corpus delicti fallen, wankte ein paar Meter weiter und erbrach sich in eine Garageneinfahrt.
    »Womit habe ich das verdient?«, haderte Walde mit seinem Schicksal. Er faltete die Puppe zu einem Paket zusammen und klemmte es unter den Bügel des Gepäckträgers.
    »Und, geht es wieder?«, fragte er, als Grabbe heranstolperte.
    »Eben, im Wasser, da war ich auf einen Schlag nüchtern, da war mir auch klar, dass die mich bös’ reingelegt haben.«
    Er spuckte aus und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. Dann nahm er wieder auf dem Gepäckträger Platz. Walde schaffte es mit Mühe und Not, an der Steigung anzufahren und dabei das schlingernde Rad auf Kurs zu halten.
    »Scheiß Bullen, es stimmt doch, was mein Vater immer gesagt hat. Hätte ich auf ihn gehört, dann würde ich jetzt nicht hier sitzen …«
    »Und hätt’ ich auf meinen gehört, müsste ich mich jetzt nicht mit dir abplagen«, ergänzte Walde.
    »Halt’ bitte an, mir wird schon wieder schlecht …«
    Endlich kamen sie in Grabbes Straße an. Der Schweiß perlte ihm von der Stirn.
    »Du kommst noch mit rein!«, lallte Grabbe und mühte sich vor seinem Reihenhaus vom Gepäckträger.
    »Nee, ist gut, ich fahr’ dann mal zurück«, wehrte Walde ab.
    »Ich geh’ da nicht allein rein.« Dennoch versuchte Grabbe, den Schlüssel ins Haustürschloss zu stecken.
    »Gib’ mal her.« Walde half ihm.
    Als er die Tür öffnete, stand eine Frau in der Diele.
    »Oh Gott!«, stammelte sie beim Anblick ihres Mannes.
    »Es
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