Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Titel: Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi
Autoren: Xanthippe Verlag
Vom Netzwerk:
erregt sich Amalia wieder, «er hat mich gezwungen, den Kamil zu holen. Wenn der aufkreuzt, ist sowieso alles zu Ende. Wir müssen uns beeilen. Ich muss eine Erklärung dafür finden, dass der Professor nicht aufsteht und dass Kamil kommt.»
    «Den kennt doch keiner», beruhigt sie Weva.
    «Da hast du auch wieder Recht», Amalia denkt nach. «Sagen wir einfach, er ist der Briefträger.»
    «Der kommt doch erst nächste Woche wieder», Weva steht der Zweifel ins Gesicht geschrieben.
    «Egal», findet Amalia achselzuckend, «dann kommt eben der Förster oder der Wildhüter, was weiss ich.»
    Weva zieht die Augenbrauen hoch: «Es hat übrigens einen Brief für dich gegeben.»
    «Ach? Von Pierre?», endlich spürt Amalia Hoffnung.
    Weva nickt. «Hier, nimm ihn, und geh dich ein paar Minuten hinlegen. Das wird dir guttun. Du wirst deine Kraft einteilen müssen.»
    «Danke, Weva. Wieso hat mir Gott bloss dieses Unheil geschickt?»
    «Red nicht so, bete lieber ein Wort!», ermahnt die Tante sie sofort.
    Amalia wendet sich ihr nochmals zu und fragt: «Wo sind eigentlich die anderen?»
    «Maria ist wohl im Speisesaal, und Vreni ist oben bei den Patienten. Der Doctor wollte es doch so.»
    «Das ist gut. Dann bin ich kurz in meiner Kammer. Falls jemand mich sucht: Ich bin nicht lange weg. Danke, Weva.»
    Amalia drückt ihre Hand auf Wevas Arm. Verwundert blickt Weva zu ihr auf.
    Sion, 31 juillet 1862
    Ma chère Amélie,
    Es freut mich, zu hören, dass es oben bei euch im Hotel so gut geht. Und ich wünsche ehrlich, ich könnte mit dabei sein. Aber, ma chérie, gräme dich nicht. In Gedanken bin ich bei dir und stärke dich.
    Du machst das gut! Du hast es jedes Jahr mit solcher Bravour gekonnt! Wieso sollte es dieses Jahr nicht klappen?
    Nimm die Adels- und Doctorentitel nicht zu ernst. Ich bitte dich. Gerade hatte ich wieder ein Beispiel von einem doctorierten Ignoranten (um nicht zu sagen, Dummkopf). Ich erzähle dir mehr, wenn ich komme.
    Nur so viel: Wer zu viel studiert, weiss nicht immer mehr.
    Hier läuft es gut. Den Erwartungen entsprechend. Marguerite kocht fein für mich, sie hat Gigot gemacht. Ich muss mich um die Schreibereien kümmern, weißt du, dann komme ich. Auf dem Pult meines Sekretärs stapelt sich alles wie die Berggipfel, welche unsere Gäste so gerne erobern.
    Ich sage, wohlan, attaquons-les! Chacun la sienne! 9 Und ich meine Papier-Montagnes. Sei herzlichst umarmt, ma belle, ich komme bald.
    Dein Pierre
    PS. Du findest anbei ein Muttergottesbildchen, ein Zeichen meiner Liebe und Sorge. Pater Josef hat es gesegnet. Es schützen dich unser Herr und die fromme Maria, Muttergottes. Amen.
    Pierre. Hoffentlich kommt er bald. Amalia klaubt ihr Halskettchen und den runden goldenen Anhänger mit dem darauf geprägten Bildnis der Maria aus ihrem Halskragen hervor. Auch ein Geschenk von Pierre. Er weiss, dass sie die Muttergottes mag. Er hatte es ihr in der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft geschenkt.
    Wie gerne sie sich daran erinnert. Pierre war einige Male in Naters gewesen. Er verkaufte damals Wein im ganzen oberen und mittleren Wallis. Auf seinen grossen Karren hatte er jeweils einige riesige Holzfässer aufgetürmt, die er mit Ross und Wagen in die Dörfer brachte, um sie dort an die Wirte zu verkaufen. Er setzte sich dann im Gasthaus zum Wirt in die Stube. Der Dorfpräsident war meist auch nicht weit weg, und gelegentlich setzte sich der Pfarrer dazu. Später schickte Pierre dann seine jüngeren Brüder.
    Amalia erinnert sich gut daran, als sie Pierre zum ersten Mal auf dem Dorfplatz, gegenüber von ihrem Haus, ankommen sah. Ein junger, kräftiger Mann mit dunklen Augen und wilden schwarzen Locken. Später ergab es sich, dass sie hie und da miteinander ein Schwätzchen halten konnten. Der Fremde gefiel Amalia auf Anhieb. Er war keiner aus dem Dorf. Er war etwas Besonderes.
    Auch Amalia hatte dem jungen Mann ernsthaft gefallen, denn er erkundigte sich über sie. Das erfuhr sie später von der Wirtin. Amalia war darüber ganz aus dem Häuschen gewesen. Sie lächelt. Pierre hat ihr später erzählt, er habe ständig nach Gelegenheiten gesucht, um einen Kontakt zu knüpfen. Das war gar nicht so einfach, wenn man nicht im selben Dorf lebte. Und es sollte ja sittsam zu- und hergehen. Ein Viehmarkt mit anschliessendem Tanz war dann die Gelegenheit. Pierre hat ihr später verraten, dass er extra dafür ein paar Rinder erstanden und gehofft hatte, sie am Fest zu treffen. Es ergab sich tatsächlich, denn Amalia war mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher