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Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Autoren: Joanne Fedler
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mich gezwungen, jeden Tag zu üben, genauso unbarmherzig wie diese chinesischen Mütter. Stundenlang habe ich jeden Tag am Klavier gesessen …«
    Diese zahllosen Stunden zeigen sich in ihrer kerzengeraden Haltung auf dem Klavierhocker.
    »Aber als ich mit Jai schwanger geworden bin …« Ich sehe zu, wie ihre Finger geschickt über die Tasten gleiten, wobei die künstlichen Nägel leise klackern. »Tja … das war’s dann.«
    Um diese eine Geschichte winden sich viele weitere. Während ich den Blick über das Bücherregal schweifen lasse, frage ich mich, ob Delia, die wunderbare Ehefrau und Mutter, je das Gefühl erlebt hat, etwas Wertvolles geleistet zu haben, was über ihre Stickerei, die Pflege ihres geheimen Gartens und die Reinigung der Böden von Blind Rise Ridge hinausging. Ich frage mich, ob Ereka je wieder malen wird. Und ob ich es in diesem Leben noch in die Toskana schaffe.
    Ich atme den lieblichen Geruch mit der deutlichen Butternote ein.
    Sie lacht. »Riecht gut, hm? Virginia backt frisches Brot!«
    Virginia, denke ich, backt ein Gebet.
    »Hättest du nicht beides machen können?«, frage ich. »Dich nach Jais Geburt wieder der Musik widmen?«
    »Auf gar keinen Fall! Dann wäre ich gleich in zwei Dingen mies gewesen. So habe ich wenigstens nur als Mutter total versagt.«
    Wer spricht denn so über sich? Außer, um sich dadurch gegen einen noch tieferen Schmerz zu schützen? Vielleicht ist das eine Verschleierungstaktik. Ich komme einfach nicht dahinter, ob sie nur nach Komplimenten angelt – wie eine extrem dünne Frau, die stöhnt: »Ich bin so dick!«, verzweifelt darauf aus, von den anderen das Gegenteil bestätigt zu bekommen. Ich glaube, es interessiert mich ernsthaft, ob Summer tatsächlich eine schlechte Mutter ist.
    »Wir machen alle mehr oder weniger die gleichen Fehler«, versuche ich es.
    »Das stimmt, niemand ist perfekt. Onkel Bernie hat das auch immer gesagt: › Jeder macht Fehler.‹ Trotzdem … Ein ungeplantes Kind, das kann man ja noch verstehen, aber drei?« Sie stößt ein leicht gereiztes Schnauben aus. »Ich meine … hallo?«
    »Waren denn wirklich alle drei ungeplant?«
    »So ziemlich.«
    »Wie ist es dazu gekommen?«
    Ihre Finger trippeln über die Tasten. »Na ja, ich bin einfach total schlecht darin, nein zu sagen … Manchmal weiß ich selbst nicht, was ich denke. Ich bin so dermaßen blond. Also, wenn jemand zu mir sagt ›machen wir dies‹ oder ›machen wir das‹, dann sage ich eben gleich: ›Ja, cool, das machen wir‹, und schon ist es passiert …« Sie rutscht auf dem Klavierhocker herum.
    Sogar Jamie hat gelernt, sich Gruppenzwang zu widersetzen. Summer hat da offenbar ein paar grundlegende Lektionen versäumt.
    »Und dann das Stillen. Ich meine dieses Ansaugen, ja? Das war die reinste Folter. Ich wollte das nicht machen. Sergio hat behauptet, ich sei eine totale Versagerin und hätte Jai schon gleich zu Anfang verkorkst.«
    Ich keuche auf. »Aber Summer, das ist lächerlich – viele Frauen können oder wollen nicht stillen, und ihren Kindern fehlt überhaupt nichts.« Ich habe selbst nur recht kurz gestillt.
    »Ich kenne außer mir nur eine andere Mutter, die ihr Kind nicht stillen konnte. Immerhin wollte sie! Als ich Jai ans Fläschchen gewöhnt habe, hatte ich schon verloren. Eine Niete von einer Mutter.«
    »Das hat ihm bestimmt nicht geschadet.«
    »Er hasst mich.«
    Ich habe an diesem Wochenende immerhin eines gelernt. Ich habe richtig gut aufgepasst.
    »Das nennt man Selbstdifferenzierung. So findet er heraus, wer er ohne dich ist, getrennt von dir. Es ist gut, dass er anders ist als du. Denn es bedeutet, dass du ihm geholfen hast, er selbst zu werden.«
    Während ich spreche, fällt mir auf, dass ich seit gestern, nachdem ich die SMS an Jamie geschickt hatte, mein Handy nicht mehr in die Hand genommen habe. Das ist doch schon ein Fortschritt.
    Tennyson springt an mir hoch und stemmt beide Vorderbeine gegen meinen Oberschenkel. Sein Schwanz kreiselt unaufhörlich wie eine kleine Papierwindmühle, ein verschwimmender Propeller der Freude. Diesmal schiebe ich ihn nicht weg. Ich kraule ihm den Kopf, und er schließt die Augen, wie ein Mensch in Ekstase.
    »Weißt du, was ich hasse?«, fragt Summer.
    »Bindung? Mit Verpflichtungen?«
    »Nein, ich mag Verpflichtungen sehr«, entgegnet sie verwundert, als hätte ich nicht richtig zugehört. »Unordnung, die kann ich nicht ausstehen. Ich will immer, dass alles perfekt ist. Hundertzwanzig Prozent
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