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Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Autoren: Joanne Fedler
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von einem denken.«
    »Ich finde es auch furchtbar.«
    »Ja, Mum, aber du bist auch ›andere Leute‹. Du bist nicht ich.«
    Ich bin nicht sie. Sie ist nicht ich. Die beiden Sätze sollte ich hundert Mal abschreiben. Jamies wichtigste Aufgabe besteht zurzeit darin, nicht ich zu sein. Alles, was sie sagt und tut, dient dazu, die Frau in ihr zum Vorschein zu bringen, die anders ist als ich. Ich freue mich immer noch sehr, wenn jemand bemerkt, wie ähnlich sie mir sieht mit ihrem langen, kräftigen Haar und den lebhaften braunen Augen. Als sie noch klein war, fand sie das auch toll. Ich sehe aus wie du, Mum. Wenn das jetzt jemand sagt, verdreht sie seufzend die Augen. Daraus spricht nicht nur Verachtung, doch sie lässt mich zurück. In jeder Hinsicht.
    Das ist auch gut so. Zwar tut es so weh, dass es mir fast den Atem verschlägt, aber es ist gut. Olivia kann Ereka nicht verlassen. Das ist viel schlimmer. Nicht verlassen zu werden. Ich habe meine Mum ebenfalls verlassen. Ich bin mit Anfang zwanzig von zu Hause ausgezogen. Zusammen mit Frank in eine andere Stadt. Später sind wir sogar ausgewandert. Jedes Mal haben wir unsere Mütter zurückgelassen.
    Der Himmel hier draußen ist sternenklar.
    Und der Mond ist beinahe voll. Ich habe ihn in einer besonderen Nacht erwischt, morgen wird er wieder anders sein, allmählich komplett zusammenschrumpfen, um danach wieder von vorn anzufangen und hoffnungsvoll zuzunehmen.
    Ich drehe den Kopf, um die anderen Frauen zu betrachten. Da sitzen wir, die Arme um die angewinkelten Knie geschlungen, vom Mondschein poliert. Unsere Töchter und Söhne finden ihr eigenes Herz und ihren eigenen Weg in dieser wunderschönen, kaputten Welt. Wir erledigen die Drecksarbeit. Nie perfekt. Aber irgendjemand muss sie ja machen.
    Etwas zupft in mir, löst sich wie bröckelnder Fels, der sich strömendem Wasser ergibt. Ich sehe sie nicht kommen, dennoch spüre ich sie – Mama-Tränen. Mich durchströmt Gewissheit: Töchter und Mütter sollten nicht so weit voneinander entfernt sein, ganze Kontinente, beinahe Welten. Etwas Ursprüngliches, Lebendiges, das pulsiert wie ein Herzschlag, hält mich nah bei meiner Mutter, obwohl sie unerreichbar weit weg ist. Ich spüre sie in jeder Zelle meines Körpers, der in ihrem entstanden ist. Meine DNS singt ihr Lied, mein Blut flüstert ihren Namen. Ich will meine Mama. Eine erwachsene Frau wie ich.
    Alberne Gans. Was wird aus mir, wenn sie stirbt? Was geschieht dann mit diesem Lied in meinen Adern?
    Kummer überschwemmt mich: Ich vermisse meine Mutter. Ich vermisse sie. Ihre wunderschönen grünen Augen und ihre ulkigen kleinen Daumennägel, die fast herzförmig sind. Sie ist nicht verstorben, wie Maeves Mutter, aber sie ist weit weg, und manchmal fühlt sich das an, als wäre sie tot. Ihre Berührungen fehlen mir, und das ist ein schlimmer Verlust. Wenn sie in der Nähe ist, spüre ich das. Mein Blut sagt es mir. Ich bin froh um die Dunkelheit, die meine Privatsphäre respektiert. Wie meine Mutter es immer getan hat. Natürlich haben wir uns auch gestritten, manchmal sogar heftig. Einmal wollte ich sogar weglaufen. Sie hat mich nicht immer verstanden.
    Aber seht, seht nur, wie sehr ich sie liebe.
    Mütter vergessen niemals die Babys, die sie gestillt haben, selbst wenn diese eines Tages zu Fremden werden.
    Durch Erinnerungen bleiben wir dem nahe, was wir lieben.
    Ich hoffe, Maeve wird sich daran erinnern, dass sie und ich uns gemeinsam Dinge ins Gedächtnis gerufen haben.
    Plötzlich muss ich an die Frau denken, die neulich im Radio darüber gesprochen hat, dass sie in Asien war, um von mehreren befruchteten Eizellen diejenige mit dem gewünschten Geschlecht auszusuchen, mit Hilfe eines medizinischen Verfahrens, das in Australien verboten ist. Die meisten Anrufer fanden die Frau »böse und abscheulich«. Ich dagegen fand es schön, dass sie eine Tochter wollte. Ein Mädchen. In Asien suchen die Leute sich das Geschlecht ihres Kindes deshalb aus, weil sie sicher sein wollen, dass sie einen Sohn bekommen.
    »He, Virginia«, sage ich.
    »Hm?«
    »Wärst du … wäre es dir recht, wenn wir ein Gebet sprechen – für deine Mutter?«
    Ein langes Schweigen, das sich immer länger dehnt.
    Ich lerne wirklich erstaunlich langsam, den Mund zu halten.
    Dann spricht sie. Allerdings nicht mit der Stimme einer erwachsenen Frau, die achtzig Länder bereist hat, in hundert Sprachen flirten kann und mit angesehen hat, wie ein Nilpferd einem Mann den Fuß abgebissen hat. Dies
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