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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten
Autoren: Orson Scott Card
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führte, die Welt zu retten. Also hatte sie angefangen zu glauben, dass ihre wirkliche Arbeit einer anderen Art von Wunder diente – den Kindern Hoffnung zu geben und zumindest ein paar zu finden, die aus dem Sumpf herausgeholt und von den örtlichen Behörden besonders beachtet wurden. Sie war stets darauf bedacht, die vielversprechendsten Kinder zu identifizieren, und schrieb dann zahlreiche E-Mails über sie an die zuständigen Behörden. Einige ihrer frühen Erfolge hatten das College bereits hinter sich; sie erklärten, dass sie Schwester Carlotta ihr Leben verdankten, aber die Schwester wusste, sie verdankten es Gott.
    Dann kam der Anruf von Helga Braun aus Rotterdam, die ihr von gewissen Veränderungen bei den Kindern erzählte, die zu ihrer Suppenküche kamen. Zivilisierung hatte sie es genannt. Die Kinder waren ganz von selbst plötzlich zivilisiert worden.
    Schwester Carlotta fuhr sofort nach Rotterdam, um sich etwas anzusehen, das wirklich nach einem Wunder klang. Und tatsächlich, als sie es mit eigenen Augen sah, konnte sie es kaum glauben. In der Schlange für das Frühstück wimmelte es nun von kleinen Kindern. Statt dass die Größeren sie aus dem Weg schubsten oder so sehr einschüchterten, dass sie sich nicht einmal hereinzukommen trauten, hüteten sie sie, schützten sie und sorgten dafür, dass jedes seinen Anteil bekam. Helga war zunächst in Panik geraten, weil sie Angst hatte, ihr könne das Essen ausgehen – aber sie stellte fest, dass potenzielle Wohltäter positiv darauf reagierten, wie diese Kinder sich verhielten, und die Spenden mehr wurden. Es gab jetzt immer genug, gar nicht zu reden von einer größeren Zahl an Freiwilligen.
    Â»Ich war vollkommen verzweifelt«, bekannte sie Schwester Carlotta. »Eines Tages sagten sie mir, ein Laster habe einen der Jungen angefahren und ihm die Rippen gebrochen. Das war selbstverständlich eine Lüge, aber da lag er, gleich neben der Schlange. Sie haben nicht einmal versucht, ihn vor mir zu verstecken. Ich wollte schon aufgeben. Ich wollte die Kinder Gott überlassen und zu meinem ältesten Sohn nach Frankfurt ziehen, wo die Regierung nicht durch den Vertrag gezwungen ist, jeden Flüchtling aus jedem Teil der Welt aufzunehmen.«
    Â»Ich bin froh, dass Sie es nicht getan haben«, entgegnete Schwester Carlotta. »Sie können sie nicht Gott überlassen, wenn Gott sie uns überlassen hat.«
    Â»Tja, das ist das Komische daran. Vielleicht hat dieser Kampf in der Schlange den Kindern klargemacht, was für ein entsetzliches Leben sie führen, denn von diesem Tag an hat einer der großen Jungen – eigentlich der Schwächste von ihnen wegen seines schlimmen Beins, sie nennen ihn Achilles – nun, wahrscheinlich habe ich ihm diesen Namen vor Jahren gegeben, weil Achilles eine schwache Ferse hatte, wissen Sie? – jedenfalls, dieser Achilles – er tauchte mit einer Gruppe kleiner Kinder in der Schlange auf. Er hat mich praktisch um Schutz gebeten und mich gewarnt, dass das, was dem armen Jungen mit den gebrochenen Rippen – ich habe ihn Odysseus getauft, weil er immer von einer Suppenküche zur anderen wandert – er liegt noch im Krankenhaus, seine Rippen waren völlig zertrümmert; können Sie sich so eine Brutalität vorstellen? – jedenfalls, dieser Achilles hat mich gewarnt, dass das Gleiche auch den kleinen Kindern zustoßen könnte, also habe ich mich besonders angestrengt, bin früh gekommen, um die Schlange zu bewachen, und habe die Polizei so lange genervt, bis sie mir Leute geschickt hat, zunächst Freiwillige, die nicht im Dienst waren und einen Hungerlohn dafür bekamen, aber jetzt sind es reguläre Polizisten … Sie denken vielleicht, ich hätte die Schlange doch die ganze Zeit im Auge behalten können, aber Sie müssen verstehen. Es hätte keinen Unterschied gemacht, weil sie die Kleineren nicht unbedingt hier in der Schlange eingeschüchtert haben, sie haben es getan, wo ich es nicht sah, also ganz gleich, wie sehr ich auch über sie wachte, es waren nur die größeren, gemeineren Jungen, die in der Schlange standen, und ja, ich weiß, auch sie sind Gottes Kinder, und ich habe sie gefüttert und versucht, ihnen Gottes Wort zu predigen, während sie aßen, aber ich hatte schon ziemlich die Hoffnung verloren, sie waren so herzlos, so vollkommen ohne Mitgefühl. Dann hat
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