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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten
Autoren: Orson Scott Card
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reisten. Auf diese Weise würde niemand fragen, wieso Ender nicht an Bord war. Ender selbst ließ sich nicht anmerken, ob er wusste, dass er nicht zur Erde zurückkehren würde.
    Elena konnte sich vor Freude kaum beherrschen, als Schwester Carlotta anrief und fragte, ob sie und ihr Mann beide in einer Stunde zu Hause sein würden. »Ich bringe Ihnen Ihren Sohn«, sagte sie.
    Nikolai, Nikolai, Nikolai. Elena sang den Namen im Geist wieder und wieder. Auch Julian tanzte beinahe, während er im Haus umherhuschte und alles bereitmachte. Nikolai war so klein gewesen, als er gegangen war. Nun würde er so viel älter sein. Sie würden nicht verstehen, was er durchgemacht hatte. Aber das war gleich. Sie liebten ihn. Sie würden ihn eben erneut kennen lernen. Sie würden nicht zulassen, dass die verlorenen Jahre die kommenden verdarben.
    Â»Da ist das Auto!«, rief Julian.
    Rasch nahm Elena die Deckel von den Töpfen, sodass Nikolai eine Küche voll mit Gerüchen nach den frischesten, besten Mahlzeiten aus seinen Kindheitserinnerungen betreten würde. Was immer sie im Weltraum gegessen hatten, es konnte nicht so gut gewesen sein wie das hier.
    Dann eilte sie zur Tür, an der ihr Mann schon wartete, und sie sahen zu, wie Schwester Carlotta vorn auf der Beifahrerseite ausstieg. Wieso hatte sie nicht hinten bei Nikolai gesessen?
    Das war gleich. Die hintere Tür ging auf, und Nikolai kam heraus, streckte seinen schlaksigen jungen Körper. Er war so groß geworden! Aber immer noch ein Junge. Er hatte immer noch ein paar Jahre Kindheit vor sich.
    Komm zu mir, mein Sohn!
    Aber er kam nicht zu ihr. Er wandte seinen Eltern den Rücken zu.
    Ah, er beugte sich über den Rücksitz. Vielleicht ein Geschenk? Nein. Ein anderer Junge. Ein kleinerer Junge, mit dem gleichen Gesicht wie Nikolai. Vielleicht zu abgehärmt für ein so kleines Kind, aber mit der gleichen offenen Güte, die Nikolai immer ausgestrahlt hatte. Nikolai konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Der kleine Junge lächelte nicht. Er wirkte unsicher. Zögernd.
    Â»Julian«, sagte ihr Mann.
    Warum sprach er seinen eigenen Namen aus?
    Â»Unser zweiter Sohn«, erläuterte er. »Sie sind nicht alle gestorben, Elena. Einer hat überlebt.«
    Sie hatte alle Hoffnung auf diese Kleinen tief in ihrem Herzen begraben. Es tat beinahe weh, den verborgenen Ort jetzt wieder zu öffnen. Sie keuchte angesichts der Intensität ihrer Gefühle.
    Â»Nikolai hat ihn in der Kampfschule kennen gelernt«, fuhr ihr Mann fort. »Ich habe Schwester Carlotta gesagt, wenn wir einen weiteren Sohn gehabt hätten, hätten wir ihn Julian genannt.«
    Â»Du wusstest es«, sagte Elena.
    Â»Verzeih mir, Liebste. Aber Schwester Carlotta war nicht sicher, ob er wirklich unser Kind ist. Oder ob er imstande sein würde, nach Hause zu kommen. Ich konnte es nicht über mich bringen, die Hoffnung in dir zu wecken und dir später vielleicht das Herz zu brechen.«
    Â»Ich habe zwei Söhne«, hauchte sie.
    Â»Wenn du ihn haben willst«, sagte Julian. »Er hatte ein schweres Leben. Aber er ist hier fremd. Er spricht kein Griechisch. Man hat ihm gesagt, dass er nur zu Besuch kommt. Dass er juristisch gesehen nicht unser Kind ist, sondern ein Mündel des Staates. Wir brauchen ihn nicht aufzunehmen, wenn du es nicht willst, Elena.«
    Â»Still, du dummer Mann«, sagte sie. Dann rief sie dem Jungen laut zu: »Meine beiden Söhne kehren aus dem Krieg heim! Kommt zu eurer Mutter! Ihr habt mir beide so sehr gefehlt, und so viele Jahre!«
    Sie rannten zu ihr, und sie umarmten einander. Elenas Tränen fielen auf beide, und ihr Mann ließ die Hände auf den Köpfen der Jungen ruhen.
    Dann sagte Julian etwas. Elena erkannte seine Worte sofort, aus dem Lukasevangelium. Aber weil er es nur auf Griechisch auswendig konnte, verstand der Kleine ihn nicht. Nikolai übersetzte jedoch gleich ins Common, die Sprache der Flotte, und fast augenblicklich erkannte der Kleine die Worte und sprach sie nach, denn er erinnerte sich daran, dass Schwester Carlotta sie ihm vor Jahren einmal vorgelesen hatte.
    Â»Lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist gefunden worden.«
    Dann brach der Kleine in Tränen aus und klammerte sich an seine Mutter und küsste die Hand seines Vaters.
    Â»Willkommen daheim, kleiner
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