Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ender 4: Enders Kinder

Ender 4: Enders Kinder

Titel: Ender 4: Enders Kinder
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
Es sind die Erinnerungen, die ich nach Enders Ansicht haben sollte.«
    »Er denkt, Sie sollten Shakespeare kennen, und darum tun Sie es?« fragte sie zweifelnd.
    »Wenn Shakespeare doch nur alles gewesen wäre, was er mir mitgegeben hat. Die großen Schriftsteller, die großen Philosophen. Wenn das bloß die einzigen Erinnerungen wären, die ich habe!«
    Sie wartete darauf, daß er die unangenehmen Erinnerungen auflistete. Aber er schauderte nur und verfiel in Schweigen.
    »Wenn Sie demnach tatsächlich von Ender kontrolliert werden, dann … sind Sie er. Dann ist das Ihr Selbst. Sie sind Andrew Wiggin. Sie haben ein Aiúa.«
    »Ich bin Andrew Wiggins Alptraum«, sagte Peter. »Ich bin das, was Andrew Wiggin an sich selbst verabscheut. Ich bin alles, was er an sich selbst haßt und fürchtet. Das ist das Rollenbuch, das mir zugewiesen wurde. Das ist es, wonach ich handeln muß.«
    Er spannte seine Hand zu einer Faust an, streckte sie dann ein Stück weit aus, die Finger immer noch gekrümmt. Eine Klaue. Wieder der Tiger. Und einen Augenblick lang hatte Wang-mu Angst vor ihm. Aber nur einen Augenblick lang. Er entspannte die Hände. Der Augenblick ging vorüber. »Was für eine Rolle sieht Ihr Drehbuch für mich vor?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Peter. »Du bist sehr klug. Klüger als ich, hoffe ich. Obwohl ich natürlich so unglaublich eitel bin, daß ich in Wirklichkeit nicht daran glauben kann, daß jemand tatsächlich klüger ist als ich. Was wiederum bedeutet, daß ich guten Rat um so nötiger habe, da ich mir tatsächlich nicht vorstellen kann, welchen zu brauchen.«
    »Sie reden im Kreis.«
    »Das ist nur ein Teil meiner Grausamkeit. Dich mit Gerede zu quälen. Aber vielleicht soll es ja darüber hinausgehen. Vielleicht soll ich dich auf die Art und Weise foltern und töten, wie ich mich so deutlich erinnere, es mit Eichhörnchen gemacht zu haben. Vielleicht soll ich dich bei lebendigem Leibe in den Wäldern anpflocken, deine Gliedmaßen an Baumwurzeln nageln und dich dann Schicht um Schicht aufbrechen, um festzustellen, an welchem Punkt die Fliegen kommen und Eier in dein ungeschütztes Fleisch legen.«
    Sie schrak angesichts der Vorstellung zurück. »Ich habe das Buch gelesen. Ich weiß, daß der Hegemon kein Ungeheuer war!«
    »Es war nicht der Sprecher für die Toten, der mich im Außen geschaffen hat. Es war Ender, der verängstigte kleine Junge. Ich bin nicht der Peter Wiggin, den er in jenem Buch so weise verstanden hat. Ich bin der Peter Wiggin, dessentwegen er Alpträume hatte. Der, der den Eichhörnchen das Fell abgezogen hat.«
    »Er hat Sie dabei beobachtet?« fragte sie.
    »Nicht mich«, sagte er unwirsch. »Und, nein, er hat nie auch nur gesehen, wie er es tat. Valentine hat ihm später davon erzählt. Sie fand den Kadaver des Eichhörnchens in den Wäldern in der Nähe ihres Kindheitsdomizils in Greensboro, North Carolina, auf dem Kontinent Nordamerika daheim auf der Erde. Aber dieses Bild paßte so perfekt in seine Alpträume, daß er es sich ausgeborgt und mit mir geteilt hat. Das ist die Erinnerung, mit der ich lebe. Verstandesmäßig kann ich mir vorstellen, daß der wirkliche Peter Wiggin wahrscheinlich gar nicht grausam war. Er lernte und studierte bloß. Er hatte kein Mitleid mit dem Eichhörnchen, weil er es nicht vermenschlichte. Es war einfach nur ein Tier. Nicht bedeutender als ein Salatkopf. Es aufzuschneiden, war vermutlich eine ebenso wenig unmoralische Handlung wie das Zubereiten eines Salats. Aber so hat Ender es nicht gesehen, und deshalb erinnere ich mich auch nicht auf diese Weise daran.«
    »Wie erinnern Sie sich dann daran?«
    »So, wie ich mich an alle meine vorgeblichen Erinnerungen erinnere. Von außen. Indem ich mich selbst mit abscheuerfüllter Faszination betrachte, während ich eine teuflische Freude an Grausamkeit empfinde. In all meinen Erinnerungen vor dem Augenblick, als ich während Enders kleiner Reise ins Außen ins Leben trat, sehe ich mich durch die Augen von jemand anders. Ein sehr merkwürdiges Gefühl, das versichere ich dir.«
    »Aber jetzt?«
    »Jetzt sehe ich mich überhaupt nicht«, sagte er. »Weil ich kein Ich habe. Ich bin nicht ich selbst.«
    »Aber Sie erinnern sich. Sie haben Erinnerungen. An dieses Gespräch; schon jetzt erinnern Sie sich daran. Daß Sie mich anschauen. Das tun Sie doch sicherlich.«
    »Ja«, sagte er. »Ich erinnere mich an dich. Und ich erinnere mich daran, hier zu sein und dich zu sehen. Aber hinter meinen Augen ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher